Die Spannung knistert förmlich: Am Mittwochabend, nach US-Börsenschluss, legt der Technologieriese Oracle seine Zahlen für das vierte Geschäftsquartal (F4Q) vor. Was dürfen Anleger erwarten? Es geht um weit mehr als nur trockene Bilanzen – im Fokus stehen die brandheißen Themen Künstliche Intelligenz und Cloud-Computing, Felder, auf denen Oracle große Ambitionen hegt. Kann der Konzern liefern und die hohen Erwartungen erfüllen?
KI-Fantasie und Cashflow-Realität
Bereits im März hatte Konzernchefin Safra Catz eine beeindruckende Wachstumsperspektive für die kommenden zwei Geschäftsjahre skizziert, getragen von einer explodierenden Nachfrage nach KI-Produkten. Oracle will die KI als Grundpfeiler seiner Zukunftsstrategie etablieren und damit seine Cloud-Dienste auf ein neues Level heben. Doch neben der KI-Euphorie richten sich die Augen der Investoren auch kritisch auf den Cashflow. Analysten von Vital Knowledge äußerten im Vorfeld Bedenken hinsichtlich der umfangreichen Ausgabenpläne. Die Wall Street rechnet mit einem freien Cashflow von rund 3 Milliarden US-Dollar bei Investitionsausgaben von etwa 3,8 Milliarden US-Dollar. Ein Drahtseilakt für das Management?
Das sagen die Analysten: Zwischen Jubel und Vorsicht
Die Analystengemeinde zeigt sich im Vorfeld der Zahlen gespalten, wenngleich mit einer leicht optimistischen Grundtendenz. Die Experten von Citizens JMP bestätigten am Mittwoch ihre "Market Outperform"-Einschätzung für die Oracle-Aktie und setzen ein Kursziel von 205,00 US-Dollar an. Diese Zuversicht stützt sich auf Branchenumfragen, die überwiegend positiv ausfielen: 40 positive standen nur 7 negativen Rückmeldungen gegenüber. Bislang hat sich das Papier für Anleger ausgezahlt: Seit Jahresbeginn legte die Aktie um 7% zu und ließ damit sowohl den S&P 500 (+3%) als auch den Russell 3000 (+2%) hinter sich.
Doch nicht alle Experten stimmen in den Jubelchor ein. Datenanalysen deuten darauf hin, dass die Aktie, die aktuell bei 177,48 US-Dollar notiert, basierend auf ihrem fairen Wert bereits als überbewertet gelten könnte. Die Kursziele anderer Analysehäuser spiegeln dieses gemischte Bild wider:
BMO Capital hob das Kursziel auf 200 US-Dollar an und erwartet für das Geschäftsjahr 2027 ein zweistelliges Wachstum des Betriebsergebnisses, sieht aber auch Druck auf die Margen durch Abschreibungen. Morgan Stanley sieht das Ziel bei 175 US-Dollar, zeigt sich zuversichtlich bezüglich der Auftragseingänge, senkte jedoch die Prognose für die Oracle Cloud Infrastructure aufgrund von Verzögerungen beim Ausbau der Rechenzentren.
BNP Paribas Exane ist mit einem Kursziel von 190 US-Dollar ebenfalls optimistisch, insbesondere was die KI-Aussichten und das "Stargate"-Projekt angeht, mahnt aber Herausforderungen bei der Bereitstellung neuer Kapazitäten an. Cantor Fitzgerald behält sein "Overweight"-Rating mit einem Ziel von 175 US-Dollar bei und lobt Oracles Erfolge bei der Migration von Arbeitslasten in die Cloud. Deutlich vorsichtiger gibt sich JPMorgan mit einem "Neutral"-Rating und einem Kursziel von 135 US-Dollar. Zwar werden die starken KI-Infrastruktur-Buchungen anerkannt, jedoch werden die hohe Bewertung und Herausforderungen bei der Erreichung der Umsatzprognosen kritisch gesehen.
Im Kern dreht sich die Debatte der Analysten also um die Fähigkeit Oracles, die KI-Arbeitslasten operativ umzusetzen und die Rechenzentrumskapazitäten schnell genug zu erweitern. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit und der Konkurrenz.