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Boeing: Vom Absturz zur Auferstehung

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das einst als perfekte Gelddruckmaschine galt. Ein Gigant seiner Branche, der Jahrzehnte lang Maßstäbe setzte. Dann kam der Fall. Tief und hart. Sieben Jahre Verluste in Folge. Die Aktie verlor 55 Prozent von ihrem Höchststand. Analysten zweifelten, ob das Unternehmen überhaupt noch zu retten sei. Doch seit Juli 2024 schreibt ein neuer Kapitän eine andere Geschichte.

Die Rede ist von Boeing. Der amerikanische Luftfahrtkonzern durchlebte ein Debakel, das in der Industriegeschichte seinesgleichen sucht. Doch unter CEO Kelly Ortberg beginnt sich das Blatt zu wenden. Die Frage ist nicht mehr, ob Boeing überlebt. Die Frage lautet: Wie weit kann die Aktie steigen?

Als die Kultur starb und die Flugzeuge abstürzten

Boeings Niedergang begann nicht mit den beiden verheerenden Abstürzen der 737 MAX in den Jahren 2018 und 2019. Er begann 1997. Damals fusionierte Boeing mit McDonnell Douglas. Was an der Wall Street gefeiert wurde, markierte den Anfang vom Ende einer stolzen Ingenieurskultur. Die neue Führung verlagerte den Fokus von der Konstruktion perfekter Flugzeuge auf finanzielle Optimierung.

CEO Jim McNerney, der 2005 übernahm, gab offen zu, dass „verängstigte“ Mitarbeiter ihn motivierten. Die Unternehmensführung zog 2001 von Seattle nach Chicago. Bewusste Distanz zu den Produktionsstätten. Die Botschaft war klar: Finanzen zählen mehr als Flugzeuge. Von 2011 bis 2019 investierte Boeing etwa 49 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung. Das klingt nach viel. Doch es waren nur 6,2 Prozent vom Umsatz. Airbus gab im gleichen Zeitraum 9,4 Prozent aus.

Gleichzeitig schüttete Boeing 59 Milliarden Dollar an die Aktionäre aus. Rund 40 Milliarden flossen in Aktienrückkäufe. Die Anzahl ausstehender Aktien sank von 751 Millionen Ende 2013 auf 568 Millionen Ende 2018. Eine klassische Finanzoptimierung. Doch sie ging nach hinten los. Im Oktober 2024 musste Boeing 16 Milliarden Dollar durch eine Kapitalerhöhung einsammeln. Der Preis: mickrige 143 Dollar je Aktie. Heute sind wieder 760 Millionen Aktien im Umlauf.

Die MAX-Katastrophe und ihre Folgen

Der 737 MAX sollte Boeings Antwort auf die Airbus A320neo-Familie werden. Statt ein komplett neues Flugzeug zu entwickeln, modifizierte Boeing die bestehende 737-Plattform. Schnell und billig sollte es gehen. Es ging katastrophal schief. Zwei Abstürze forderten 346 Menschenleben. Fehlerhafte Sensoren und neue Flugsteuerungssoftware waren die Ursache. Die MAX-Flotte blieb fast zwei Jahre am Boden.

Die finanziellen Folgen waren verheerend. Seit 2019 hat kein Unternehmen im S&P 500 mehr Geld verloren als Boeing. Sieben Jahre in Folge schreibt der Konzern rote Zahlen. Das ist Rekord unter den aktuellen Index-Mitgliedern. Im Januar 2024 riss bei einem MAX-9-Jet eine Notausgangstür während des Fluges heraus. CEO Dave Calhoun kündigte daraufhin seinen Rücktritt an.

Zu diesem Zeitpunkt schien Boeing am Ende. Die Produktion kam nicht in Gang. Ende 2024 lieferte Boeing nur 265 Maschinen vom Typ 737 aus. Das Ziel waren über 500 gewesen. Im Vorjahr waren es noch 396 Lieferungen. Die Luftfahrtbehörde FAA deckelte die Produktion bei 38 MAX-Jets pro Monat. Boeing konnte nicht liefern, was die Kunden bestellten.

Ein Ingenieur übernimmt das Ruder

Kelly Ortberg kam im Juli 2024 zu Boeing. Und er ist anders. Ortberg ist studierter Ingenieur mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Luftfahrtindustrie. Seine ersten Entscheidungen zeigen eine radikale Abkehr von der alten Boeing-Kultur. Ortberg verlegte die Führung zurück nach Seattle. Nähe zu den Werken, Nähe zu den Arbeitern. Er verkaufte Unternehmensteile für über zehn Milliarden Dollar an den Finanzinvestor Thoma Bravo. Er stoppte die Entwicklung des futuristischen X-66-Demonstrators. Das Projekt war interessant, aber zu weit entfernt von kommerzieller Verwertbarkeit.

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Auch der Ton änderte sich fundamental. Lieferanten und Kunden berichten von deutlich weniger Arroganz. Boeing macht wieder realistische Zusagen. Im November 2024 endete ein siebenwöchiger Streik. Die Arbeiter bekamen deutliche Lohnerhöhungen. Boeing garantierte zudem, dass das nächste Schmalrumpfflugzeug im US-Bundesstaat Washington gebaut wird. Ein wichtiges Signal.

Die Zahlen geben Rückenwind

Boeing hat mehr als 6.600 offene Bestellungen in den Büchern. Die Nachfrage ist da. Die Herausforderung liegt in der Produktion. In den sechs Jahren nach dem zweiten MAX-Absturz im März 2019 lieferte Boeing etwa 2.200 Flugzeuge aus. In den sechs Jahren davor waren es doppelt so viele. 2018 verließen 806 Jets die Werke. 2024 waren es weniger als 350.

Die FAA erhöhte kürzlich das Produktionslimit von 38 auf 42 MAX-Jets pro Monat. Boeing strebt 46 bis 47 an, langfristig 50 Maschinen monatlich. Bei dieser Produktionsrate könnte der Konzern 2028 über elf Milliarden Dollar freien Cashflow generieren. Im dritten Quartal 2025 lieferte Boeing 160 Verkehrsflugzeuge aus. Das waren 44 mehr als im Vorjahr. Der Umsatz stieg auf 23,3 Milliarden Dollar nach 17,8 Milliarden im Vorjahresquartal. Es war das dritte Quartal in Folge mit Umsatzwachstum.

Erstmals seit 2023 erwirtschaftete Boeing wieder positiven freien Cashflow. Allerdings meldete das Unternehmen auch eine Belastung von 4,9 Milliarden Dollar durch das verzögerte 777X-Programm. Der Verlust je Aktie lag bei 7,14 Dollar. Analysten hatten mit fünf Dollar gerechnet.

Was die Aktie wert sein könnte

Die aktuelle Bewertung bei 200 Dollar ist komplex. Das Unternehmen macht seit sieben Jahren Verluste. Analysten nutzen verschiedene Ansätze. Die Bank of America rechnet mit einem normalisierten freien Cashflow von elf Dollar je Aktie. Daraus ergibt sich ein Kursziel von 270 Dollar. Das entspricht einem Plus von 35 Prozent. Vertical Research Partners kombiniert Gewinn- und Cashflow-Multiplikatoren für 2027 und kommt auf denselben Wert.

Ein Vergleich mit Airbus liefert noch höhere Ziele. Der europäische Rivale wird mit dem 22-Fachen des erwarteten freien Cashflows für 2028 bewertet. Wendet man diesen Multiplikator auf Boeing an, ergibt sich ein Kurs von bis zu 300 Dollar. Das wären 50 Prozent Kurspotenzial. Die Differenz spiegelt das Risiko wider, dass die Wende scheitern könnte.

Weitere Katalysatoren können die Aktie antreiben. Boeing arbeitet an der Zertifizierung der 777X sowie der Modelle 737 MAX 7 und MAX 10. Alle drei Flugzeuge sollten 2026 oder 2027 ausgeliefert werden können. Langfristig muss Boeing ein komplett neues Schmalrumpfflugzeug entwickeln. Das kostet Milliarden. Aber es bietet die Chance, Marktanteile zurückzugewinnen. Die A320neo-Familie von Airbus hat seit der Markteinführung 70 Prozent Marktanteil bei den Auslieferungen.

Der Turnaround hat begonnen

Boeing ist dabei, von einem der größten Industriedesaster der jüngeren Geschichte zurückzukehren. Ein neuer CEO mit Ingenieursdenken räumt mit der toxischen Finanzkultur auf. Die Produktion steigt wieder. Der Auftragsbestand ist prall gefüllt. Analysten sehen Kurspotenzial von 35 bis 50 Prozent.

Boeing bleibt natürlich erst einmal weiterhin ein Turnaround-Investment mit Risiken. Doch unter Kelly Ortberg ist die Aktie wieder investierbar geworden. Für geduldige Anleger könnte es sich auszahlen.

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Carsten Müller

Senior Kapitalmarktanalyst & Finanzpublizist

Expertise: Fundamentalanalyse globaler Kapitalmärkte | Zukunftstechnologien | Strategische Asset-Allokation

Profil

Mit drei Jahrzehnten Kapitalmarkterfahrung gehört Carsten Müller zu den führenden Finanzanalysten im deutschsprachigen Raum. Der Berliner Kapitalmarktexperte verfügt über fundierte Kenntnisse in der Bewertung internationaler Aktien- und Anleihemärkte und hat sich insbesondere auf die Identifikation langfristiger Megatrends spezialisiert.

Seine Analysemethodik basiert auf einem bewährten Zweisäulenmodell: Fundamentale Unternehmensanalyse kombiniert mit präzisen Timing-Strategien. Dieser integrative Ansatz ermöglicht es ihm, strukturelle Wachstumschancen frühzeitig zu identifizieren und optimal zu nutzen.

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Nach seinem Einstieg in die Finanzbranche bei der n-tv Telebörse prägte er maßgeblich die redaktionelle Ausrichtung führender Börsenpublikationen. Als Chefredakteur und Herausgeber verantwortet er heute mehrere Fachpublikationen, darunter den renommierten Börsendienst "Future Money", der sich auf disruptive Technologien und deren Kapitalmarktpotenzial fokussiert.

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Neben seiner analytischen Tätigkeit vermittelt Carsten Müller Kapitalmarktwissen in verschiedenen Formaten. Sein Podcast "Papa, erklär mal Börse" überbrückt generationenübergreifend die Kluft zwischen komplexer Finanztheorie und praktischer Anwendung. Diese Kombination aus tiefgreifender Expertise und verständlicher Kommunikation macht ihn zu einem gefragten Experten für institutionelle und private Anleger.