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Zentralbanken vor Richtungswechsel

Schweizer Nationalbank lehnt Negativzinsen ab, Fed plant Zinssenkung und politische Krisen in Japan sowie Frankreich belasten die globalen Finanzmärkte.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • SNB-Präsident warnt vor negativen Zinsen
  • Japans Regierungswechsel erschüttert Yen-Kurs
  • Fed-Zinssenkung im September fast sicher
  • Handelskonflikte dämpfen Chinas Exportwachstum

Die globalen Finanzmärkte durchleben turbulente Zeiten, während Zentralbanken weltweit ihre geldpolitischen Strategien überdenken. Von der Schweiz über Japan bis hin zur Eurozone stehen die Währungshüter vor schwierigen Entscheidungen, während politische Unsicherheiten und Handelskonflikte die wirtschaftlichen Aussichten trüben.

Schweizer Notenbank warnt vor Negativzinsen

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sieht eine hohe Hürde für eine Wiedereinführung negativer Zinsen. SNB-Präsident Martin Schlegel betonte in einem Interview, dass die Zentralbank sich der unerwünschten Nebenwirkungen negativer Zinsen bewusst sei, insbesondere für Sparer und Pensionskassen. Die SNB hatte im Juni ihre Leitzinsen auf null gesenkt, um der anhaltend niedrigen Inflation entgegenzuwirken.

Schlegel verteidigte die proaktive Geldpolitik der SNB und wies Kritik zurück, die Zentralbank habe die Zinsen zu stark gesenkt. „In der Geldpolitik kann man es sich nicht leisten zu zögern, wenn eine Entscheidung notwendig ist“, erklärte er. Die aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen, insbesondere die 39-prozentigen US-Zölle auf Schweizer Importe, schaffen erhebliche Unsicherheit für Unternehmen und belasten Investitionen.

Politisches Erdbeben in Japan erschüttert Märkte

Japans Premierminister Shigeru Ishiba kündigte überraschend seinen Rücktritt an, nachdem seine Regierungskoalition bei Wahlen die Mehrheit in beiden Parlamentskammern verloren hatte. Die Resignation löste heftige Marktbewegungen aus: Der Yen fiel deutlich, während die Aktienkurse stiegen, da Investoren auf eine lockerere Geld- und Fiskalpolitik unter einem neuen Regierungschef spekulieren.

Als Favoritin für die Nachfolge gilt Sanae Takaichi, die als erste Frau das Amt übernehmen könnte. Die 64-Jährige ist bekannt für ihre Opposition gegen Zinserhöhungen der Bank of Japan und ihre Forderungen nach verstärkten Staatsausgaben. Märkte preisen bereits eine Verzögerung der geplanten geldpolitischen Straffung ein – die Wahrscheinlichkeit einer BOJ-Zinsanhebung bis Ende Oktober sank von 46 auf nur noch 20 Prozent.

Handelskonflikte belasten Wachstum

Chinas Exportwachstum verlangsamte sich im August auf 4,4 Prozent – den niedrigsten Wert seit sechs Monaten. Verantwortlich dafür waren schwächere Lieferungen in die USA, da der vorübergehende Handelswaffenstillstand zwischen beiden Ländern an Wirkung verliert. Präsident Donald Trumps unberechenbare Handelspolitik mit mehrfachen Zollrunden belastet Chinas exportorientierte Wirtschaft erheblich.

Die beiden größten Volkswirtschaften einigten sich zwar am 11. August auf eine weitere 90-tägige Verlängerung ihres Handelswaffenstillstands, doch chinesische Exporteure warnen vor „prohibitiv hohen“ Zöllen, sobald diese 35 Prozent übersteigen. Container-Verschiffungen nach Amerika gingen bereits um fast 25 Prozent zurück, während chinesische Hersteller verzweifelt nach alternativen Märkten in Asien, Afrika und Lateinamerika suchen.

Europäische Zentralbank hält Kurs

Die Europäische Zentralbank wird voraussichtlich ihre Zinsen zum zweiten Mal in Folge unverändert lassen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte im Juli einen kämpferischen Ton angeschlagen, der Markterwartungen für weitere Zinssenkungen dämpfte. Ein Handelsabkommen zwischen EU und USA sowie eine stabile Konjunktur geben der Frankfurter Zentralbank wenig Grund zum Handeln.

Gleichzeitig bereitet die politische Krise in Frankreich den Märkten Sorge. Premierminister François Bayrou steht vor einem Misstrauensvotum, das er voraussichtlich verlieren wird. Die anhaltende politische Instabilität könnte die französisch-deutschen Anleihe-Spreads auf 90 Basispunkte ausweiten – ein Niveau, das bereits 2024 erreicht wurde, ohne dass die EZB ihr Transmission Protection Instrument aktivierte.

Fed-Zinssenkung fast sicher

In den USA verdichten sich die Anzeichen für eine Zinssenkung im September. Schwache Arbeitsmarktdaten zeigten, dass die Wirtschaft deutlich weniger Jobs schuf als erwartet, während gleichzeitig die Arbeitslosigkeit stieg. Märkte preisen eine 91,7-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte ein, mit einer kleinen Chance auf einen größeren Schritt um 50 Punkte.

Die Inflationsdaten für August werden zeigen, inwieweit sich Trumps Zölle bereits in den Verbraucherpreisen niederschlagen. Diese Zahlen dürften zwar die September-Entscheidung nicht beeinflussen, könnten aber die künftige Haltung der Fed prägen.

Marktausblick bleibt ungewiss

Die Kombination aus politischer Unsicherheit, Handelskonflikten und divergierenden geldpolitischen Ansätzen schafft ein volatiles Umfeld für Investoren. Während Gold nahe Rekordhöhen verharrt und von der Zinssenkungserwartung profitiert, reagieren Währungen sensibel auf politische Entwicklungen. Der Yen schwächte sich nach Ishiba Rücktritt ab, während der Dollar unter Zinssenkungsdruck steht.

Die kommenden Wochen werden entscheidend: Japans Regierungsbildung, das französische Vertrauensvotum und die Fed-Sitzung am 16./17. September werden die Marktrichtung maßgeblich beeinflussen. Anleger müssen sich auf anhaltende Volatilität einstellen, während Zentralbanken weltweit ihre Strategien anpassen müssen.

Felix Baarz

Felix Baarz ist Wirtschaftsjournalist mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Berichterstattung über internationale Finanzmärkte. Als gebürtiger Kölner begann er seine Laufbahn bei einer deutschen Fachpublikation, bevor er für sechs Jahre nach New York zog.

In New York berichtete er direkt aus dem Zentrum der globalen Finanzwelt über Entwicklungen an der Wall Street und wirtschaftspolitische Entscheidungen von internationaler Tragweite. Diese Zeit prägte seine analytische Herangehensweise an komplexe Wirtschaftsthemen.

Heute arbeitet Baarz als freier Journalist für führende deutschsprachige Wirtschafts- und Finanzmedien. Seine Schwerpunkte liegen auf der fundierten Analyse globaler Finanzmärkte und der verständlichen Aufbereitung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge. Neben seiner schriftlichen Arbeit moderiert er Fachdiskussionen und nimmt an Expertenrunden teil.

Sein journalistischer Ansatz kombiniert tiefgreifende Recherche mit präziser Analyse, um Lesern Orientierung in einer sich wandelnden Wirtschaftswelt zu bieten.