Die großen Notenbanken der Welt signalisieren eine Phase der geldpolitischen Zurückhaltung. Während sich die Konjunkturdaten weltweit eintrüben und Handelskonflikte neue Unsicherheiten schaffen, suchen Währungshüter nach dem richtigen Timing für weitere Zinsentscheidungen.
Europäische Zentralbank bremst Zinssenkungen
Die Europäische Zentralbank deutet eine längere Pause in ihrem Zinssenkungszyklus an. Nach sieben aufeinanderfolgenden Zinssenkungen während des Inflationsrückgangs könnte die nächste Lockerung erst gegen Jahresende kommen, so EZB-Ratsmitglied Gediminas Šimkus.
"Wir werden möglicherweise nicht alle Informationen haben, die wir bis September benötigen", erklärte der litauische Notenbankchef am Rande des Notenbanker-Treffens in Sintra. Besonders die ungelösten Handelsgespräche zwischen der Eurozone und den USA sorgen für Ungewissheit. Eine Zinspause im Juli sei "sehr wahrscheinlich".
Die Inflation in der Eurozone bewegt sich zwar um das Zwei-Prozent-Ziel der EZB, doch neue Risiken zeichnen sich ab. Der starke Euro und schwankende Energiepreise durch Spannungen im Nahen Osten könnten die Preisentwicklung beeinflussen. Šimkus warnt vor der ungewöhnlichen Geschwindigkeit des Euro-Anstiegs, auch wenn das Niveau historisch nicht extrem sei.
Bank of England sieht schwächeren Arbeitsmarkt
In Großbritannien beobachtet Notenbankgouverneur Andrew Bailey eine Entspannung am Arbeitsmarkt. "Ich sehe eine grundlegende Schwächung, besonders am Arbeitsmarkt", sagte Bailey in einem CNBC-Interview. Die entscheidende Frage sei, wie sich dies auf die Rückkehr der Inflation zum Zielwert auswirke.
Die britischen Immobilienpreise fielen im Juni um 0,8 Prozent – der stärkste monatliche Rückgang seit November 2022. Das Ende einer Steuererleichterung für Immobilienkäufe dämpfte die Nachfrage erheblich. Trotzdem erwarten Experten eine Belebung im Sommer, da die Grundbedingungen für Hauskäufer weiterhin günstig seien.
Japans Wirtschaft trotzt Handelsunsicherheit
Japanische Großunternehmen zeigen sich überraschend widerstandsfähig gegenüber den US-Zolldrohungen. Das wichtige Tankan-Unternehmensbarometer verbesserte sich im zweiten Quartal leicht auf plus 13 Punkte, obwohl Firmen ihre Gewinnprognosen nach unten korrigierten.
Die Investitionsbereitschaft bleibt hoch: Japanische Konzerne planen Kapitalausgaben von 11,5 Prozent für das laufende Geschäftsjahr – deutlich mehr als die im März erwarteten 3,1 Prozent. "Die Wirtschaft hält sich trotz Handelsspannungen gut, was unsere Einschätzung stützt, dass die Bank of Japan ihren Straffungszyklus vor Jahresende wieder aufnehmen wird", kommentiert Marcel Thieliant von Capital Economics.
Dennoch erwarten sowohl Hersteller als auch Dienstleister eine Verschlechterung der Geschäftsbedingungen in den kommenden drei Monaten. Besonders betroffen sind die Maschinenbau- und Automobilsektoren, die direkt von US-Zöllen getroffen werden.
Globale Handelsrisiken belasten Märkte
Die anhaltenden Handelskonflikte zwischen den USA und ihren Partnern verstärken die globale Unsicherheit. Während Washington seine Zollpolitik verschärft, leiden besonders exportorientierte Volkswirtschaften unter den Auswirkungen.
In China zeigen sich die Belastungen bereits deutlich: Autohändler in der wohlhabenden Yangtze-Delta-Region warnen vor "schweren Herausforderungen" durch hohe Lagerbestände und einen ruinösen Preiskampf. Vier Händlerverbände appellierten öffentlich an die Hersteller, ihre Verkaufsstrategien zu überarbeiten, da manche Autobauer Händler zum Verkauf unter Einstandspreisen zwingen würden.
Ausblick auf schwierige Monate
Die kommenden Monate werden entscheidend für die weitere geldpolitische Ausrichtung der großen Notenbanken. Während die EZB auf mehr Klarheit bei den Handelsgesprächen wartet, beobachtet die Bank of England die Arbeitsmarktentwicklung genau. Japan hingegen könnte trotz wachsender Risiken an seiner vorsichtigen Zinserhöhungspolitik festhalten.
Die Unsicherheit über die künftige US-Handelspolitik und deren globale Auswirkungen dürfte die Währungshüter noch länger beschäftigen. Ein koordiniertes Vorgehen der Notenbanken wird angesichts der unterschiedlichen regionalen Herausforderungen immer schwieriger.