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Zentralbanken im Fokus: Inflation trifft auf Zinsentscheidungen

Während die US-Inflation steigt, stehen drei große Zentralbanken vor unterschiedlichen Zinsentscheidungen. Dies belastet die Märkte, insbesondere den Technologiesektor, und treibt Rohstoffpreise an.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • US-Verbraucherpreise erreichen 18-Monats-Hoch
  • EZB, BoE und BoJ vor divergierenden Zinsentscheidungen
  • Technologieaktien unter Druck durch KI-Finanzierungszweifel
  • Öl- und Edelmetallpreise steigen auf geopolitische Spannungen

Die globalen Finanzmärkte stehen unter Druck – und das gleich von mehreren Seiten. Während die US-Verbraucherpreise stärker steigen als erwartet, bereiten sich Zentralbanken weltweit auf wegweisende Zinsentscheidungen vor. Am Donnerstag und Freitag werden die Bank of England, die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan ihre Geldpolitik justieren – und damit die Weichen für 2026 stellen. Doch die Ausgangslage könnte unterschiedlicher nicht sein.

US-Inflation erreicht 18-Monats-Hoch

Die für Dienstag erwarteten US-Verbraucherpreisdaten dürften unangenehme Wahrheiten offenbaren. Ökonomen prognostizieren einen Jahresanstieg von 3,1 Prozent – der höchste Wert seit Mai 2024. Verantwortlich dafür sind vor allem die weitreichenden Importzölle von Präsident Donald Trump, die Unternehmen zunehmend an Verbraucher weitergeben.

„Der Abwärtstrend bei der Inflation ist zum Stillstand gekommen“, konstatiert Andy Schneider von BNP Paribas. „Das spiegelt größtenteils wider, dass Unternehmen im Gütersektor die Zollkosten in die Preise übersetzen.“ Besonders betroffen sind einkommensschwache Haushalte, die kaum Ersparnisse als Puffer haben und zudem langsameres Lohnwachstum verzeichnen.

Die Datenlage wird durch die 43-tägige Regierungsschließung zusätzlich verkompliziert. Das Bureau of Labor Statistics kann keine Monatsvergleiche veröffentlichen, da für Oktober keine Daten erhoben werden konnten – eine historische Premiere. Fed-Chef Jerome Powell machte bereits deutlich: „Es sind wirklich die Zölle, die den größten Teil der Inflationsüberschreitung verursachen.“

Divergierende Zentralbankpolitik spaltet Märkte

Während die Fed ihre Zinssenkungen vorerst pausiert, gehen andere Notenbanken eigene Wege. Die Bank of England steht nach überraschend schwachen britischen Inflationsdaten unter Druck: Der Preisauftrieb fiel im November auf 3,2 Prozent – der niedrigste Wert seit März. Eine Zinssenkung um 25 Basispunkte gilt als nahezu sicher, die Märkte preisen eine 98-prozentige Wahrscheinlichkeit ein. Das Pfund Sterling verlor daraufhin deutlich an Wert.

Ganz anders die Lage in Japan: Hier wird die Bank of Japan voraussichtlich am Freitag die Zinsen auf 0,75 Prozent anheben – das höchste Niveau seit drei Jahrzehnten. Hartnäckig hohe Lebensmittelpreise und anhaltender Yen-Verfall zwingen Gouverneur Kazuo Ueda zum Handeln. Die Analysten von ANZ erwarten nach Dezember eine weitere Erhöhung im April 2026 auf ein Prozent.

Die Europäische Zentralbank dürfte hingegen stillhalten. Bei ihrer Sitzung am Donnerstag rechnen Beobachter mit unveränderten Zinsen, der Euro notiert nahe seinem Dreimonatshoch bei 1,18 Dollar.

Technologiewerte unter Beschuss

Die unterschiedlichen Zinsaussichten belasten insbesondere den Technologiesektor. An der Wall Street schlossen die Hauptindizes am Mittwoch deutlich im Minus, der Nasdaq verlor 1,81 Prozent. KI-Schwergewicht Nvidia brach um 3,8 Prozent ein, Chipentwickler Broadcom um 4,5 Prozent.

Auslöser waren wachsende Zweifel an der Finanzierung der kostspieligen KI-Infrastruktur. Oracle stürzte um 5,4 Prozent ab, nachdem bekannt wurde, dass Hauptpartner Blue Owl Capital sich nicht an einem 10-Milliarden-Dollar-Deal für ein neues Rechenzentrum beteiligen wird. Amazon wiederum verhandelt über eine 10-Milliarden-Investition in OpenAI – was Bedenken über zunehmende Verschuldung schürt.

„Es brodelt eine Angst um den KI-Handel“, erklärt Ross Mayfield von Baird Private Wealth Management. „Die zentrale Frage ist die Nachhaltigkeit und Rendite all dieser Ausgaben.“ Die asiatischen Märkte folgten am Donnerstag diesem Abwärtstrend, der MSCI Asia-Pacific Index fiel um 0,5 Prozent.

Rohstoffmärkte reagieren auf geopolitische Spannungen

Während Aktien schwächeln, ziehen Rohstoffe an. Nach Trumps Ankündigung einer „Blockade“ sanktionierter Öltanker aus Venezuela schnellten die Ölpreise um 1,7 Prozent nach oben. US-Rohöl kletterte auf 56,91 Dollar, Brent-Öl auf 60,62 Dollar pro Barrel.

Gold und Silber profitieren ebenfalls von der Unsicherheit. Silber erreichte mit 66,88 Dollar je Unze ein Rekordhoch, Gold notiert bei 4.330 Dollar. Die Edelmetalle dienen Anlegern als sicherer Hafen in turbulenten Zeiten.

Europa hofft auf deutschen Stimulus

Für europäische Märkte könnte 2026 dennoch ein Hoffnungsschimmer werden – falls Deutschland liefert. Nach der Lockerung seiner Schuldenregeln im März hat die größte EU-Volkswirtschaft Raum für Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben geschaffen. Doch Kritiker monieren, dass zu viel in Sozialausgaben statt langfristige Investitionen fließt.

„Die Pläne sind nicht so ambitioniert, wie wir es uns gewünscht hätten“, bemängelt Ross Hutchison von Zurich Insurance. Drei deutsche Wirtschaftsinstitute senkten jüngst ihre Wachstumsprognosen für 2026, da die Ausgabenimpulse nur begrenzt wirken.

Europäische Aktien handeln mit einem Abschlag von 35 Prozent gegenüber US-Titeln – nahe historischer Tiefstände. Das bedeutet aber auch: Die Erwartungen sind niedrig. „Die Messlatte liegt sehr tief“, konstatiert Schroders-Fondsmanager Dominique Braeuninger, der europäische Aktien zunehmend bevorzugt.

Hinzu kommt die Ukraine-Frage: EU-Staats- und Regierungschefs ringen um die Finanzierung Kiews für 2026 und 2027. Die bevorzugte Lösung – ein Kredit gegen eingefrorene russische Vermögenswerte in Höhe von 210 Milliarden Euro – hängt an Belgiens Zustimmung. Ohne EU-Hilfe droht der Ukraine im zweiten Quartal 2026 das Geld auszugehen.

Die kommenden Tage werden zeigen, ob die Zentralbanken mit ihrer divergierenden Geldpolitik die Märkte stabilisieren oder zusätzliche Volatilität entfachen. Eines ist sicher: Die Investoren bleiben nervös.

Felix Baarz

Felix Baarz ist Wirtschaftsjournalist mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Berichterstattung über internationale Finanzmärkte. Als gebürtiger Kölner begann er seine Laufbahn bei einer deutschen Fachpublikation, bevor er für sechs Jahre nach New York zog.

In New York berichtete er direkt aus dem Zentrum der globalen Finanzwelt über Entwicklungen an der Wall Street und wirtschaftspolitische Entscheidungen von internationaler Tragweite. Diese Zeit prägte seine analytische Herangehensweise an komplexe Wirtschaftsthemen.

Heute arbeitet Baarz als freier Journalist für führende deutschsprachige Wirtschafts- und Finanzmedien. Seine Schwerpunkte liegen auf der fundierten Analyse globaler Finanzmärkte und der verständlichen Aufbereitung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge. Neben seiner schriftlichen Arbeit moderiert er Fachdiskussionen und nimmt an Expertenrunden teil.

Sein journalistischer Ansatz kombiniert tiefgreifende Recherche mit präziser Analyse, um Lesern Orientierung in einer sich wandelnden Wirtschaftswelt zu bieten.