Die globalen Finanzmärkte befinden sich in einer Phase erhöhter Nervosität. Während eine Welle wichtiger Zentralbankentscheidungen bevorsteht, kämpfen Technologieaktien mit Bewertungssorgen und wirtschaftliche Schlüsseldaten stehen unmittelbar bevor. Am Donnerstag richtet sich der Fokus insbesondere auf die US-Inflationszahlen – ein entscheidender Gradmesser für die weitere geldpolitische Richtung der Federal Reserve.
Technologiesektor unter Druck
Die Stimmung an den Börsen ist angespannt. Der S&P 500 und Nasdaq fielen am Mittwoch auf Drei-Wochen-Tiefs, wobei Technologiewerte besonders stark unter die Räder kamen. Oracle brach um 5% ein, nachdem bekannt wurde, dass der größte Partner für Rechenzentren, Blue Owl Capital, einen 10-Milliarden-Dollar-Deal nicht unterstützen will. Die Episode verdeutlicht eine zunehmende Skepsis gegenüber der schuldenfinanzierten KI-Expansion.
Auch in Europa spiegelte sich diese Vorsicht wider. Der STOXX 600 schloss nahezu unverändert bei 579,84 Punkten, nachdem er tagsüber noch in der Nähe von Rekordhochs gehandelt hatte. Halbleiterwerte wie ASML Holdings, BESI und ASMI standen unter Verkaufsdruck, während der Technologiesektor insgesamt 1,7% verlor. „Es zeigt sich mittlerweile eine echte Marktmüdigkeit gegenüber dieser singulären KI-Infrastruktur-Story“, erklärte David Bahnsen, Chief Investment Officer der Bahnsen Group.
Die Sorgen werden durch Berichte über Googles neue Initiative befeuert, Nvidias Software-Vorteil zu untergraben. Während Nvidia selbst 1,8% auf ein Drei-Wochen-Tief fiel, verlor der breitere Chipindex 3%. Das Narrativ der alternativlosen KI-Investments bröckelt zusehends.
Geldpolitik im Rampenlicht
Inmitten der Marktunsicherheit bietet Fed-Gouverneur Christopher Waller einen Hoffnungsschimmer für Zinssenkungsoptimisten. Der als geldpolitische Taube geltende Waller betonte am Mittwoch, die Notenbank habe angesichts eines schwächelnden Arbeitsmarktes weiterhin Spielraum für Zinssenkungen. Seine Äußerungen kontrastieren mit der vorsichtigen Haltung, die das Federal Open Market Committee vergangene Woche signalisierte – damals hatte die Fed nur eine weitere Zinssenkung für 2026 in Aussicht gestellt.
Der Donnerstag wird zum Lackmustest: Um 8:30 Uhr Ortszeit werden die Verbraucherpreisdaten veröffentlicht, nachdem Arbeitsmarktdaten zuvor keine eindeutigen Signale über die konjunkturelle Verfassung lieferten. Experten verweisen auf mögliche Verzerrungen durch den jüngsten Regierungsstillstand. Gleichzeitig werden Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sowie der Philadelphia Fed Manufacturing Index erwartet – ein umfassendes Datenpaket, das erhebliche Volatilität auslösen könnte.
Auch die Bank of England steht vor einer Weichenstellung. Die britische Inflationsrate fiel im November unerwartet stark auf 3,2% – den niedrigsten Stand seit März. Zinsfutures preisen mittlerweile eine nahezu 100%ige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte am Donnerstag ein. Das Pfund Sterling verlor daraufhin 0,53% auf 1,3350 Dollar und steuert auf den größten Tagesverlust seit Monaten zu. „Für das Pfund haben wir angemerkt, dass unsere Erwartung einer relativen Underperformance auf weicheren Daten basiert, einschließlich der Inflationsfront“, kommentierten Goldman Sachs-Analysten.
Divergierende regionale Entwicklungen
Während Großbritannien mit fallenden Preisen kämpft, zeigt sich andernorts ein gemischtes Bild. Der deutsche Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Dezember unerwartet, was die anhaltenden Wachstumsprobleme der größten europäischen Volkswirtschaft unterstreicht. Die Europäische Zentralbank wird am Donnerstag ihre Entscheidung bekannt geben, wobei eine Zinspause erwartet wird.
Auf der anderen Seite des Globus bereitet sich die Bank of Japan auf eine historische Zinsanhebung vor. Am Freitag könnte die Notenbank die Zinsen auf ein Drei-Jahrzehnte-Hoch hieven. Der Dollar legte gegenüber dem Yen um 0,5% auf 155,46 zu. „Von all den anstehenden Zentralbanksitzungen ist die der Bank of Japan vermutlich die wichtigste und dort herrscht die größte Unsicherheit“, sagte Vassili Serebriakov, FX-Stratege bei UBS.
Politische Unsicherheiten belasten
Jenseits der Geldpolitik sorgen politische Entwicklungen für zusätzliche Turbulenzen. Das US-Justizministerium forderte Fed-Chef Jerome Powell auf zu klären, ob die Notenbank wieder Gewinne erzielt – eine Voraussetzung für die Finanzierung der Consumer Financial Protection Bureau (CFPB). Die Verbraucherschutzbehörde warnte, ihre Mittel könnten in nur zwei Wochen erschöpft sein, während Präsident Donald Trump ihre komplette Abschaffung anstrebt.
Die Personalie an der Fed-Spitze bleibt umstritten. Waller, der als möglicher Powell-Nachfolger im Mai 2026 gilt, betonte er würde die Unabhängigkeit der Notenbank „absolut“ verteidigen. Bei einer Veranstaltung der Yale School of Management sagte er: „Auf die Frage, ob ich die Unabhängigkeit der Zentralbank gegen einen Präsidenten verteidigen würde, der diesen Status in Frage stellt, lautet die Antwort absolut.“ Trump hatte Powell wiederholt für eine zu zögerliche Zinspolitik angegriffen.
Sektoren im Aufwind
Nicht alle Branchen leiden unter der Unsicherheit. Rohstoffwerte profitierten von steigenden Preisen: Silber erreichte ein Rekordhoch, während auch Gold zulegte. Minenaktien im STOXX 600 gewannen 1,1%, Bankentitel kletterten um 1% und näherten sich Niveaus, die zuletzt 2008 gesehen wurden. Londons HSBC legte 2,7% zu, nachdem die Aktie ein Allzeithoch markiert und eine Analystenhochstufung erhalten hatte.
Energiewerte wie Shell und BP profitierten von einem 2%-Anstieg der Ölpreise, nachdem Trump eine „Blockade“ sanktionierter Öltanker aus Venezuela angeordnet hatte. ConocoPhillips und Occidental Petroleum gewannen jeweils über 2%.
Der britische FTSE 100 stach mit einem Plus von 0,9% hervor, während deutsche und französische Indizes nachgaben. Serco führte den STOXX 600 mit einem Gewinn von 7,4% an, nachdem der Outsourcing-Dienstleister Gewinnprognosen über Analystenschätzungen abgegeben hatte.
Ausblick: Datenfokus bleibt entscheidend
Mit zwei verbleibenden Wochen im Jahr steuert die Wall Street auf ihre dritte jährliche Gewinnserie zu, getragen von Zinssenkungserwartungen und KI-Enthusiasmus. Doch die Sorgen über Technologiebewertungen haben eine Rotation in Small Caps, Gesundheitswerte und Bankaktien ausgelöst. „Für das kommende Jahr bleiben wir bei Aktien global konstruktiv eingestellt. Wir haben unser Portfolio diversifiziert, weil wir es für wichtig halten, nicht zu stark auf US-Technologie konzentriert zu sein“, erklärte Amelie Derambure, Senior Multi-Asset Portfolio Managerin bei Amundi.
Die Donnerstag-Daten werden zeigen, ob die Fed tatsächlich weiteren Zinssenkungsspielraum hat – oder ob hartnäckige Inflation die Geldpolitik länger restriktiv hält als erhofft. Bis dahin verharren die Märkte im Wartezustand.
