Eigentlich hätte der Start in die neue Handelswoche für den Zahlungsabwickler Wirecard ganz ordentlich verlaufen können. Vorbörslich berichteten die Münchner mit Österreichs größten Lebensmitteleinzelhändler BILLA über einen neuen Großkunden, für den Wirecard zukünftig die Bezahlung per App abwickeln wird. Aber bereits da zeigten sich die Aktien vorbörslich schwach, nachdem sie am Freitag letzter Woche nach der Vorlage von Zahlen bereits mehr als drei Prozent auf 139,45 Euro verloren hatten.
Die Eröffnung lag dann heute mit 136 Euro nochmals tiefer, bevor sich Wirecard-Aktien im Zuge eines neuen Allzeithochs beim DAX in den ersten Handelsstunden wieder bis auf 138,60 Euro erholen konnten. Allerdings blieb die echte Kauflaune der Anleger weiterhin aus, denn die meisten warten – trotz der Veröffentlichung eigentlich sehr guter Zahlen für 2019 am letzten Freitag – weiter auf den für Ende März angekündigten Sonderbericht der Wirtschaftsprüfer von KPMG. Erst wenn dieser Wirecard von den in den letzten Jahren in schöner Regelmäßigkeit durch die Financial Times erhobenen Vorwürfe der Bilanztrickserei, Verbuchung von Scheinumsätzen und Manipulationen vollständig frei spricht, könnte wieder richtig Schwung in die Aktien kommen. Das gilt natürlich auch für den Fall, sollten die Prüfer tatsächlich Unregelmäßigkeiten entdecken. Nur das dann der Schwung in eine für viele nicht präferierte Richtung laufen dürfte…
Einen kleinen Vorgeschmack darauf gab es bereits heute. Denn nachdem Wirecard im März letzten Jahres aufgrund der Vorwürfe durch die Financial Times, und damit verbundener möglicher Leerverkäufe, Klage gegen das Wirtschaftsblatt eingereicht hat, hätte am 27. Januar 2020 beim Landgericht München I der erste Verhandlungstag stattfinden sollen. Heute nun machten Meldungen die Runde (u.a. von der Welt am Sonntag), das Wirecard diesen Termin überraschend verschoben hat bzw. das: “die Vorsitzende Richterin den Termin für die mündliche Verhandlung auf Antrag der Klageseite abgesetzt hat”.
Natürlich begannen sofort die Spekulationen, dass Wirecard das Verfahren selbst ausgesetzt oder eingestellt hat. Vor allem auch deshalb, weil die Informationen von Unternehmensseite mit: “Zu laufenden Verfahren äußern wir uns nicht” sehr dürftig ausfielen. Das schien auch irgendwann Wirecard selbst bemerkt zu haben, zumal auch der Kurs der Wirecard-Aktie kurz bis auf 134,40 Euro abrutschte. Denn da war sie wieder zurück, die alte Unsicherheit.
Inzwischen hat Wirecard ein weiters Statement veröffentlicht, was aber weiterhin keine Rückschlüsse auf die Gründe für die Entscheidung zulässt. Von Unternehmensseite hieß es wörtlich:
Die Wirecard AG dementiert Falschmeldungen, wonach das laufende Rechtsverfahren der Wirecard AG gegen die Financial Times ausgesetzt oder eingestellt worden sei. Die Wirecard AG stellt klar, dass es sich hierbei um ein laufenden Verfahren handelt.
Es bleibt also dabei: Viel Genaues weiß man nicht. Wirecard verfällt damit wieder in alte Muster und überlässt die Anleger den wilden Spekulationen des Marktes. Wo ist das Problem, genau zu begründen, warum das Verfahren ausgesetzt wurde. Man darf spekulieren, ob dies etwas mit dem Sonderbericht der KPMG zu tun hat, d.h. ob man die Ergebnisse aus der Prüfung möglicherweise im Verfahren benutzen will.
Die Kommunikation ist das A und O an der Börse. Überlässt man diese unkorrdiniert und umkommentiert frei dem Markt, resultiert das immer wieder in den leider inzwischen viel zu oft gesehen Kursstürze.
Man meinte zu glauben, dass das bei Wirecard inzwischen ankommen sein sollte. Heute wurde allerdings mal wieder das genaue Gegenteil bewiesen. Und Wirecard ist – heute glücklicherweise nur mit einem moderaten Tagesverlust von 2 Prozent auf 136,10 Euro – mal wiederder schwächste DAX-Wert. Verluste, die sicher zum Teil vermeidbar gewesen wären.
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