Startseite » Marktberichte » Weltwirt­schaft unter Druck: Krisen überall

Weltwirt­schaft unter Druck: Krisen überall

Weltwirtschaft unter Druck: Thailands politische Krise, steigende Ölpreise und Inflation belasten das globale Wachstum. Zentralbanken stehen vor komplexen Entscheidungen.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Thailands Wirtschaft droht Einbruch durch politische Instabilität
  • Ölpreise steigen um 20% – Gefahr für globale Lieferketten
  • Japan verzeichnet höchste Inflation seit zwei Jahren
  • Deutsche Autohersteller leiden unter US-Handelstarifen

Die globale Wirtschaft steht unter enormem Druck. Von Thailands politischem Chaos über deutsche Automobilhersteller bis hin zu steigenden Ölpreisen im Nahen Osten – eine Kette von Krisen bedroht das weltweite Wachstum. Während Zentralbanken versuchen, die Inflation zu bekämpfen, verschärfen geopolitische Spannungen und Handelskonflikte die Lage zusätzlich.

Asiens Wirtschaftsmotor stottert

Thailand, Südostasiens zweitgrößte Volkswirtschaft, kämpft mit einer toxischen Mischung aus politischer Instabilität und wirtschaftlicher Stagnation. Die anhaltenden Regierungskrisen um Premierministerin Paetongtarn Shinawatra bedrohen den kritischen Haushaltsplan über 115 Milliarden Dollar für 2026. "Wir befinden uns derzeit in einer Phase des wirtschaftlichen Abschwungs mit vielen Problemen", warnt Visit Limlurcha vom thailändischen Handelskammerverband.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Thailands Börse ist mit einem Minus von 23,4% der schlechteste Handelsplatz Asiens in diesem Jahr. Das Wirtschaftswachstum könnte auf magere ein Prozent schrumpfen – eine dramatische Verschlechterung für eine Nation, die traditionell zu den Wachstumsstars der Region zählte.

Ganz anders Vietnam: Das Land verzeichnet mit 7,6% im zweiten Quartal ein beeindruckendes Wachstum. Doch selbst hier dämpft Vize-Premierminister Nguyen Hoa Binh die Euphorie – das angestrebte Acht-Prozent-Ziel für das Gesamtjahr sei eine "große Herausforderung".

Inflationsdruck nimmt weltweit zu

Japan kämpft mit der höchsten Kerninflation seit über zwei Jahren. Mit 3,7% im Mai liegt sie deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Zentralbank. Besonders dramatisch: Reis kostet doppelt so viel wie im Vorjahr, Schokolade ist um 27% teurer geworden. "Die Inflation übertrifft die Erwartungen", warnt Ökonom Yoshiki Shinke.

Bank-of-Japan-Gouverneur Kazuo Ueda steht vor einem Dilemma: Einerseits drängt die hohe Inflation zu weiteren Zinserhöhungen, andererseits bedrohen US-Handelstarife die fragile Wirtschaftserholung. "Wenn sich unsere Wirtschafts- und Preisprognosen materialisieren, erwarten wir weitere Zinserhöhungen", sagte Ueda, betonte aber gleichzeitig die "extrem hohe Unsicherheit" durch die US-Handelspolitik.

Öl als globaler Risikofaktor

Der Nahe Osten sorgt erneut für Unruhe an den Märkten. Brent-Öl ist im Juni um 20% gestiegen – der stärkste Monatsanstieg seit 2020. Mit 77 Dollar pro Barrel nähern sich die Preise kritischen Schwellenwerten. "Wenn Öl in den Bereich von 80 bis 100 Dollar geht und dort blverbleibt, gefährdet das die Weltwirtschaft", warnt Christophe Boucher von ABN AMRO.

Etwa ein Fünftel des weltweiten Ölverbrauchs passiert die strategisch wichtige Straße von Hormus zwischen Oman und Iran. Eine Blockade hier könnte die Preise über 100 Dollar katapultieren und globale Lieferketten zum Erliegen bringen.

Die Auswirkungen sind bereits spürbar: Nachhaltig hohe Ölpreise über 100 Dollar würden das globale Wachstum um ein Prozent drücken und die Inflation um einen Prozentpunkt anheben, schätzt Samy Chaar von Lombard Odier.

Europa unter Tarif-Druck

Deutsche Automobilhersteller spüren die US-Handelspolitik bereits schmerzhaft. Allein im April entstanden durch Importzölle Zusatzkosten von rund einer halben Milliarde Euro, berichtet der Branchenverband VDA.

Großbritannien zeigt ebenfalls Schwächezeichen: Die Einzelhandelsumsätze brachen im Mai um 2,7% ein – der stärkste Rückgang seit Dezember 2023. Nach einem sonnigen April mit überdurchschnittlichen Ausgaben folgte der Kater.

Zentralbanken zwischen den Fronten

Während die Bank of England Governeur Andrew Bailey in Kiew Ukraines Inflationsstrategie lobt und gleichzeitig Zweifel an digitalen Zentralbankwährungen äußert, stehen Notenbanker weltweit vor ähnlichen Herausforderungen. Sie müssen Inflationsdruck bekämpfen, ohne die bereits angeschlagenen Volkswirtschaften weiter zu schwächen.

Die Federal Reserve steht vor besonders komplexen Entscheidungen. Fed-Chef Jerome Powell muss bei seinen anstehenden Parlamentsanhörungen erklären, wie sich weitere Nahost-Eskalationen auf die Inflation auswirken könnten.

Ausblick: Volatilität voraus

"Viele Dinge, die vor sechs Monaten als unwahrscheinlich galten, sind jetzt Realität", fasst ein Marktanalyst die aktuelle Lage zusammen. Die Marktvolatilität hat Raum nach oben.

NATO-Mitglieder bereiten sich auf ein Treffen vor, bei dem ein neues Verteidigungsausgaben-Ziel von fünf Prozent des BIP diskutiert wird – eine weitere Belastung für bereits angespannte Staatshaushalte.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Weltwirtschaft diese Mehrfachkrise meistern kann oder ob sich die Abwärtsspirale weiter beschleunigt. Eines ist sicher: Die Zeit der niedrigen Volatilität und stabilen Wachstumserwartungen ist vorerst vorbei.

Felix Baarz

Felix Baarz ist Wirtschaftsjournalist mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Berichterstattung über internationale Finanzmärkte. Als gebürtiger Kölner begann er seine Laufbahn bei einer deutschen Fachpublikation, bevor er für sechs Jahre nach New York zog.

In New York berichtete er direkt aus dem Zentrum der globalen Finanzwelt über Entwicklungen an der Wall Street und wirtschaftspolitische Entscheidungen von internationaler Tragweite. Diese Zeit prägte seine analytische Herangehensweise an komplexe Wirtschaftsthemen.

Heute arbeitet Baarz als freier Journalist für führende deutschsprachige Wirtschafts- und Finanzmedien. Seine Schwerpunkte liegen auf der fundierten Analyse globaler Finanzmärkte und der verständlichen Aufbereitung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge. Neben seiner schriftlichen Arbeit moderiert er Fachdiskussionen und nimmt an Expertenrunden teil.

Sein journalistischer Ansatz kombiniert tiefgreifende Recherche mit präziser Analyse, um Lesern Orientierung in einer sich wandelnden Wirtschaftswelt zu bieten.