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US-Zölle: Weltwirtschaft zittert

Neue US-Zölle und steigende Staatsverschuldung erhöhen die Gefahr von Inflation und Rezession. Globale Märkte und Zentralbanken reagieren mit Gegenmaßnahmen.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • US-Zölle auf Stahl und Aluminium verdoppeln sich
  • Staatsverschuldung der USA steigt auf Rekordniveau
  • EZB erwartet weitere Zinssenkungen
  • Rezessionsrisiko in den USA wächst

Die globalen Finanzmärkte blicken mit wachsender Besorgnis auf die US-Handelspolitik, deren jüngste Verschärfungen die Furcht vor einer weltweiten Konjunkturabkühlung und steigender Inflation nähren. Während die Trump-Administration mit neuen Zöllen und einem umstrittenen Ausgabenpaket für weitere Unruhe sorgt, warnen Notenbanker und Analysten eindringlich vor den potenziell gravierenden Folgen für Wachstum und Preisstabilität. Diese Entwicklung setzt nicht nur den US-Dollar unter Druck, sondern könnte auch die Europäische Zentralbank zu drastischeren Maßnahmen zwingen und stellt die Weichen für eine volatile zweite Jahreshälfte.

Eskalierende US-Handelspolitik: Schuldenberg und neue Zollrunden

Die Nervosität an den Märkten wird maßgeblich durch die jüngsten Schritte Washingtons befeuert. Im Zentrum der Kritik steht das von Präsident Donald Trump vorangetriebene Steuer- und Ausgabengesetz, von Elon Musk als "widerliche Abscheulichkeit" gebrandmarkt. Der Tech-Milliardär, der erst kürzlich seine beratende Funktion in der Regierung zur Effizienzsteigerung beendete, warf dem Gesetz vor, das Haushaltsdefizit massiv auf 2,5 Billionen Dollar zu erhöhen und die US-Bürger mit "erdrückend untragbarer Schuldenlast" zu konfrontieren. Das überparteiliche Congressional Budget Office (CBO) prognostiziert, dass die Maßnahmen, die eine Verlängerung der Steuersenkungen von Trumps erster Amtszeit beinhalten, die Staatsschulden in Höhe von 36,2 Billionen Dollar um weitere 3,8 Billionen Dollar ansteigen lassen werden. Trotz dieser Kritik halten führende Republikaner wie Sprecher Mike Johnson und Mehrheitsführer John Thune an dem Vorhaben fest und planen eine Verabschiedung im Senat im kommenden Monat.

Parallel dazu droht eine weitere Eskalation an der Zollfront. Ab Mittwoch, dem 5. Juni 2025, sollen die US-Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium auf 50% verdoppelt werden. Zeitgleich erwartet die Trump-Administration die "besten Angebote" verschiedener Länder in den laufenden Handelsverhandlungen. Besonders im Fokus bleiben die angespannten Handelsbeziehungen zu China. Zwar deutete Finanzminister Scott Bessent einen baldigen Telefonkontakt zwischen Präsident Trump und Chinas Präsident Xi Jinping an, um Differenzen auszuräumen. China wies jedoch erst am Montag US-Vorwürfe einer Vertragsverletzung scharf zurück. Marktbeobachter wie ING-Stratege Francesco Pesole sehen China durch seine Kontrolle über Chip-Lieferketten und Seltene Erden im Vorteil.

Analysten von Macquarie betonen die Verunsicherung der Händler angesichts der unklaren Linie der US-Handelspolitik. Sie unterscheiden zwischen breit angelegten, wechselseitigen Zöllen, die möglicherweise wegverhandelt werden könnten, und neuen, produktspezifischen "strategischen" Zöllen, wie die auf Stahl und Aluminium, die als dauerhafter angesehen werden. Präsident Trump hat wiederholt die Bedeutung der heimischen Produktion "strategischer Produkte" für die nationale Sicherheit betont, getreu seinem Motto: "Wenn du keinen Stahl hast, hast du kein Land."

Inflationsschock und Rezessionsgefahr: Die US-Wirtschaft im Würgegriff der US-Handelspolitik

Die Auswirkungen dieser Politik auf die US-Wirtschaft geben zunehmend Anlass zur Sorge. Federal Reserve Gouverneurin Lisa D. Cook äußerte sich in einer Rede besorgt über die Risiken der Handelspolitik für Inflation und Arbeitsmarkt. Obwohl die Arbeitslosenquote im April mit 4,2% auf historisch niedrigem Niveau verharrte und die Wirtschaft solide dastehe, sei die Unsicherheit seit Jahresbeginn gestiegen. Die Inflation lag im April bei 2,1% (Kernrate 2,5%) und damit über dem 2%-Ziel der Fed. Preiserhöhungen durch Zölle könnten eine weitere Reduktion erschweren und die Produktivität negativ beeinflussen. Das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im ersten Quartal schwächer, die Industrieproduktion ging im April zurück und Unternehmen kürzten ihre Investitionspläne für 2025.

Ihr Kollege, Chicago Fed-Präsident Austan Goolsbee, zeichnete ein noch düstereres Bild. Er warnte, dass höhere Inflation durch Zölle schnell sichtbar werden könnte, "sicherlich innerhalb weniger Monate", während eine daraus resultierende Konjunkturabschwächung erst später in den Daten sichtbar würde. Goolsbee sprach von einer "stagflationären Richtung" – also stagnierendes Wachstum bei steigender Inflation – was die Fed vor ein "automatisches Playbook"-Dilemma stelle, wenn sich beide Seiten der Gleichung gleichzeitig verschlechterten. Er deutete an, dass die Zinsen "ein gutes Stück unter dem heutigen Niveau" liegen könnten, sobald sich der Staub um die Zollpolitik gelegt habe, betonte aber die hohe Unsicherheit.

Diese Befürchtungen spiegeln sich in den Analysen von UBS wider. Die Schweizer Großbank sieht die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession bei beunruhigenden 37%, ein Anstieg um 11 Prozentpunkte seit dem Tiefststand im Dezember. Das Modell basiert auf einer Kombination aus "Hard Data" (Produktion, Beschäftigung, Investitionen etc.), die eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 46% signalisieren, der Zinskurve (18%) und den Kreditbedingungen, die mit 48% den höchsten Risikowert seit der Pandemie anzeigen. Obwohl Trumps Kehrtwende bei den sogenannten "Liberation Day tariffs" eine harte Landung vorerst abgewendet haben mag, zeige sich im April eine breit angelegte Schwächung der Frühindikatoren.

Globale Dominoeffekte: Dollar-Verfall und die Reaktion der EZB

Die Turbulenzen in der US-Handelspolitik und die wachsenden Fiskalsorgen strahlen auf die globalen Märkte aus. Der US-Dollar erholte sich zwar am Dienstag von einem Sechs-Wochen-Tief gegenüber dem Euro, wird aber weiterhin von den Zollängsten belastet. Seit Jahresbeginn hat der Greenback rund 9% gegenüber der Gemeinschaftswährung verloren. Marktstratege Marc Chandler von Bannockburn Global Forex sieht die Erholung als "ziemlich begrenzt". Ein breiter "Sell America"-Trend bei Dollar-Anlagen, von Aktien bis zu Staatsanleihen, unterstreicht die Besorgnis der Investoren. Die Devisenoptionsmärkte positionieren sich für eine weitere Dollar-Schwäche.

Im Gegenzug hat der Euro seit Jahresbeginn fast 11% gegenüber dem Dollar zugelegt. Diese Stärke stellt jedoch laut Harun Thilak von Validus Risk Management eine Herausforderung für die exportorientierten Volkswirtschaften der EU dar, besonders vor dem Hintergrund der anhaltenden Handelsunsicherheiten. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte daher zu einer aggressiveren geldpolitischen Lockerung gezwungen sein. Die Inflation in der Eurozone lag im Mai mit 1,9% unter dem EZB-Ziel von 2%, nach 2,2% im April. Die EZB hat bereits seit Juni 2024 die Zinsen siebenmal gesenkt, der Einlagensatz liegt bei 2,25%. Eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte wird für die nächste Sitzung am Donnerstag erwartet. Analysten sehen in der Rhetorik der EZB eine Abkehr von der restriktiven Geldpolitik hin zu einer expansiveren Haltung, auch um die heimische Wirtschaft angesichts der Handelsspannungen zu stützen. Die von der US-Regierung angedrohten 50%-Zölle auf EU-Importe, deren Frist zuletzt auf den 9. Juli verschoben wurde, bleiben ein Damoklesschwert.

Die globale Konjunktur leidet bereits unter der Unsicherheit. Die OECD senkte ihre globale Wachstumsprognose für 2025 von 3,1% auf 2,9%, explizit wegen der Zollaussichten. Schwache Wirtschaftsdaten aus China, der Eurozone und den USA werden ebenfalls auf die allgemeine Verunsicherung durch die US-Politik zurückgeführt. Selbst der Bitcoin-Kurs zeigte sich mit einem leichten Plus bei 105.364 Dollar relativ unbeeindruckt von den Makro-Turbulenzen, während das britische Pfund vor wichtigen Statements der Bank of England und einer Anleiheauktion leicht nachgab.

Die Verflechtung von aggressiver US-Handelspolitik, ausufernder Staatsverschuldung und den Reaktionen der globalen Finanzmärkte und Zentralbanken zeichnet ein zunehmend fragiles Bild für die Weltwirtschaft. Die kommenden Wochen, insbesondere im Hinblick auf Zollfristen und die geldpolitischen Entscheidungen von Fed und EZB, dürften entscheidend für die weitere konjunkturelle Entwicklung sein. Die von Fed-Gouverneur Goolsbee skizzierte "stagflationäre Richtung" scheint ein immer realistischeres Szenario zu werden, sollte keine baldige Deeskalation im globalen Handelsstreit erfolgen. Die Frage, ob die Notenbanken die richtigen Werkzeuge haben, um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, bleibt vorerst offen.

Eduard Altmann

Eduard Altmann ist Finanzexperte mit über 25 Jahren Erfahrung an den globalen Finanzmärkten. Als Analyst und Autor beim VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft spezialisiert er sich auf Aktienmärkte, Gold, Silber, Rohstoffe und den Euro.

Altmann ist überzeugter Verfechter des Value-Investing und identifiziert unterbewertete Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial. Sein Börsendienst "Megatrend-Depot" vermittelt praxisnahe Strategien erfolgreicher Value-Investoren. Mit seinem Motto "Manage dein Vermögen selbst" inspiriert er Anleger zur eigenverantwortlichen Vermögensverwaltung.

Seine Analysen basieren auf der fortschrittlichen Gann-Strategie, die präzise Vorhersagen für Rohstoffmärkte ermöglicht. Diese technische Analysemethode kombiniert historische Daten mit Zyklusanalysen und macht seine Marktprognosen besonders treffsicher.

Durch zahlreiche Publikationen und verständliche Erklärungen komplexer Finanzthemen unterstützt Altmann sowohl Einsteiger als auch erfahrene Investoren bei fundierten Anlageentscheidungen. Seine Arbeit verbindet theoretische Expertise mit praktischen Empfehlungen für den strategischen Vermögensaufbau.