Die internationale Finanzlandschaft erlebt einen fundamentalen Wandel, während die Trump-Administration ihre aggressive Außen- und Handelspolitik vorantreibt. Von den diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs bis hin zu gezielten Strafzöllen gegen Schwellenländer – die Entscheidungen aus Washington formen die globalen Marktdynamiken neu.
Diplomatischer Durchbruch oder Zeitgewinn?
Das mit Spannung erwartete Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Alaska blieb ohne konkretes Ergebnis zur Beendigung des Ukraine-Kriegs. Trotz der fast dreistündigen Gespräche konnte keine Waffenstillstandsvereinbarung erzielt werden. "Es gibt keinen Deal, bis es einen Deal gibt", kommentierte Trump nach dem Gipfel.
Dennoch zeigten sich beide Seiten optimistisch über den weiteren Verlauf. Putin bezeichnete die Gespräche als Ausgangspunkt für eine mögliche Konfliktlösung und den Wiederaufbau der russisch-amerikanischen Beziehungen. Besonders bemerkenswert: Trumps Ankündigung, vorerst auf zusätzliche Strafzölle gegen China zu verzichten, da das Treffen "sehr gut verlaufen" sei.
Die Märkte reagierten verhalten auf die diplomatischen Signale, während gleichzeitig die Unsicherheit über die langfristigen geopolitischen Entwicklungen bestehen bleibt.
Strafzölle als Druckmittel
Washingtons Handelspolitik setzt gezielt auf wirtschaftlichen Druck. Indien sieht sich bereits einem zusätzlichen 25-prozentigen Strafzoll gegenüber, der die effektive Zollbelastung auf 36 Prozent anhebt – eine der höchsten Raten unter den großen Volkswirtschaften. Grund sind die anhaltenden Öl-Importe aus Russland.
Brasilien und Südafrika stehen ebenfalls im Visier der US-Administration. Diese gezielten Maßnahmen gegen BRICS-Länder haben zu verstärkten Diskussionen über eine gemeinsame Front gegen den amerikanischen Protektionismus geführt. Brasiliens Präsident Lula wirbt aktiv für eine koordinierte BRICS-Antwort auf die Zolldrohungen.
However, Capital Economics warnt vor überzogenen Erwartungen: Die BRICS-Staaten bleiben eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Interessen. China und Indien betrachten sich weiterhin als strategische Rivalen, während die Handelsbeziehungen innerhalb des Blocks hauptsächlich auf bilaterale Verbindungen mit China beschränkt bleiben.
Zweifel an US-Statistiken erschüttern Vertrauen
Eine zusätzliche Unsicherheit entsteht durch Trumps Kritik an offiziellen Wirtschaftsdaten. Die Entlassung der Leiterin des Bureau of Labor Statistics aufgrund von Revisionen bei den Arbeitsmarktdaten hat weitreichende Konsequenzen. Bank of America Securities warnt vor einer Verschlechterung der Politikqualität, wenn verlässliche öffentliche Statistiken in Frage gestellt werden.
Besonders problematisch könnte sich dies auf den 2-Billionen-Dollar-Markt für inflationsindexierte Anleihen auswirken. "Wenn Menschen oder Institutionen sich wegen steigender Inflation sorgen und sich dagegen absichern wollen, könnten inflationsindexierte Anleihen kein valides Instrument mehr darstellen, falls der Verbraucherpreisindex selbst in Frage steht", warnen die BofA-Analysten.
Europäische Märkte zeigen Widerstandsfähigkeit
Trotz der globalen Unsicherheiten präsentieren sich die europäischen Kreditmärkte überraschend stabil. UBS hat sieben Makro-Themen identifiziert, die Investoren für den Herbst positionieren sollten. Die jüngste US-EU-Vereinbarung über etwa 15-prozentige Zölle auf ausgewählte Waren hat das unmittelbare Risiko einer vollständigen Handelseskalation reduziert.
Die Investment-Grade- und High-Yield-Spreads in Europa liegen bei 80 beziehungsweise 276 Basispunkten und haben damit bereits UBS‘ frühere Ziele übertroffen. Für das dritte Quartal erwartet die Bank eine moderate Ausweitung auf 90/300 Basispunkte, bevor ein möglicher Policy-Schwenk der Federal Reserve im vierten Quartal die Performance stützen könnte.
Fed-Politik im Fokus
Währenddessen signalisiert die US-Notenbank Bereitschaft für weitere Zinssenkungen. Mary Daly von der San Francisco Fed bekräftigte Erwartungen für Zinssenkungen bereits im kommenden Monat, trotz stärkerer Einzelhandelsumsätze und unerwartet gestiegener Großhandelspreise im Juli.
"Was ich nicht tun möchte, ist, mich so sehr zu sorgen, dass die Inflation wieder ansteigen oder hartnäckig bleiben könnte, dass wir auf diese Klarheit warten und den Arbeitsmarkt nicht unterstützen", erklärte Daly. Der Fed Rate Monitor zeigt eine 83-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine 25-Basispunkte-Senkung im September.
KI-Investitionen ohne Produktivitätsschub
Ein weiterer wichtiger Faktor für die Märkte sind die massiven Investitionen in Künstliche Intelligenz. Die Ausgaben für Computer-Hardware und -Software sind in der ersten Jahreshälfte 2025 stark gestiegen, mit einem annualisierten Sprung von 86,4 Prozent bei Computer-Ausrüstung und 18 Prozent bei Software-Investitionen.
Capital Economics warnt jedoch, dass diese Hardware-Gewinne sich nicht direkt in Produktivitätssteigerungen übersetzen. Fast die gesamte Hardware wird importiert, während die inländische Produktion von Computer- und Elektronikprodukten nur 0,03 Prozent zum BIP-Wachstum des ersten Quartals beitrug.
Für signifikante Produktivitätsgewinne durch KI seien deutlich höhere Investitionen in Software und Forschung & Entwicklung notwendig, so die Analysten.
Die Verflechtung von Geopolitik, Handelspolitik und Technologie-Investitionen schafft ein komplexes Umfeld für globale Investoren. Während die Märkte kurzfristig auf diplomatische Signale reagieren, bleiben die strukturellen Herausforderungen bestehen.