Die globalen Finanzmärkte zeigen sich am heutigen Mittwoch, dem 04. Juni 2025, in einem Zustand erhöhter Nervosität. Im Zentrum der Verunsicherung steht einmal mehr die US-Handelspolitik, deren unberechenbare Wendungen und heute auslaufende Fristen für "beste Angebote" Handelspartner unter Druck setzen. Diese Gemengelage zwingt Investoren, Risiken neu zu bewerten und nach alternativen Anlagemöglichkeiten Ausschau zu halten, wobei Schwellenländer Asiens verstärkt in den Fokus rücken. Doch wie reagieren die einzelnen Wirtschaftsräume auf diesen Druck, und welche internen Dynamiken prägen ihre Entwicklung? Die Frage, ob das langjährige Mantra "There is no alternative" (TINA) für US-Anlagen endgültig passé ist, scheint drängender denn je.
Epizentrum Washington: Die US-Handelspolitik als globaler Stressfaktor
Die handelspolitische Agenda der USA sorgt weiterhin für erhebliche Verwerfungen an den internationalen Märkten. Die heute auslaufende Frist für Handelspartner, ihre "besten Angebote" zur Vermeidung von Strafzöllen vorzulegen, hat die Anspannung spürbar erhöht. Laut Berichten haben Investoren begonnen, ihr Engagement in US-Anlagen zu reduzieren, verunsichert durch die erratischen Ankündigungen und die Sorge vor den negativen Auswirkungen eines ausgewachsenen Handelskonflikts auf die Weltwirtschaft. So berichtete Japans Kabinettschef Yoshimasa Hayashi, Tokio habe bisher keine offizielle Aufforderung aus Washington für neue Handelsvorschläge erhalten, was die Unsicherheit weiter nährt.
Besonders betroffen von dieser Politik sind exportorientierte Nationen. In Südkorea beispielsweise steht der frisch vereidigte Präsident Lee Jae-myung vor der Herkulesaufgabe, die Handelsbeziehungen mit den USA neu zu gestalten. Seine Regierung versucht Zeit zu gewinnen, um die Verhandlungen über die von Washington kritisierten Handelsungleichgewichte und drohenden Zölle auf Schlüsselindustrien wie Automobile und Stahl strategisch anzugehen. Präsident Lee selbst bezeichnete die Handelsgespräche mit den USA als die dringlichste Aufgabe seiner Amtszeit. Experten aus dem Umfeld seiner Partei deuten an, dass Seoul die Verhandlungen verlangsamen und die Gespräche der USA mit anderen Nationen wie Japan und China genau beobachten werde, um daraus eigene Vorteile zu ziehen.
Auch andere Regionen spüren die Auswirkungen. Im Nahen Osten meldeten die Vereinigten Arabischen Emirate für Mai eine Verlangsamung des Wachstums in ihrem Nicht-Öl-Privatsektor auf den schwächsten Wert seit fast vier Jahren. Der S&P Global UAE Purchasing Managers‘ Index (PMI) fiel auf 53,3. Als Gründe wurden neben nachlassender Nachfrage auch wettbewerbsbedingter Druck und schwächerer Handel infolge der US-Zölle genannt.
Im Gegensatz dazu scheint Vietnam von einer gewissen Vorverlagerung von Exporten zu profitieren, möglicherweise auch, um den befürchteten US-Zöllen zuvorzukommen. Das südostasiatische Land verzeichnete im Mai einen Anstieg der Exporte um 14% im Vergleich zum Vorjahr und einen Handelsüberschuss von 4,67 Milliarden US-Dollar.
Asiens Wirtschaftsmotoren im Spagat: Indiens Stärke und die RBI vor wichtiger Entscheidung
Inmitten der globalen Handelsspannungen sendet Indien gemischte Signale. Einerseits setzte der dominante Dienstleistungssektor des Landes sein robustes Wachstum im Mai fort. Der von S&P Global ermittelte HSBC India Services Purchasing Managers‘ Index (PMI) stieg leicht auf 58,8 Punkte, nach 58,7 im April. Angetrieben wurde diese Entwicklung von einer starken Exportnachfrage und einer Rekordzahl an Neueinstellungen – fast 16% der befragten Unternehmen stockten ihr Personal auf. Die Auftragsbücher füllten sich dank Werbemaßnahmen, positiver Nachfragetrends und Folgegeschäften.
Die Kehrseite dieser dynamischen Entwicklung ist jedoch ein spürbar steigender Preisdruck. Sowohl die Einkaufspreise als auch die Verkaufspreise zogen im Mai an und lagen über den historischen Durchschnittswerten. Unternehmen berichteten von höheren Kosten für Speiseöl, Materialien, Fleisch und Überstundenvergütungen, was zur stärksten Inflation der Einkaufspreise seit Januar führte. Dieser Inflationsdruck stellt die Reserve Bank of India (RBI) vor Herausforderungen. Es wird allgemein erwartet, dass die indische Zentralbank am kommenden Freitag, dem 06. Juni, zum dritten Mal in Folge den Leitzins senken wird, voraussichtlich um 25 Basispunkte auf 5,75%. Die anhaltend niedrige Inflation, die im April mit 3,16% deutlich unter dem RBI-Ziel von 4,0% lag, gibt der Zentralbank Spielraum, das Wirtschaftswachstum weiter zu stützen. Indiens Bruttoinlandsprodukt war im ersten Quartal 2025 überraschend stark um 7,4% gewachsen, getrieben von Bau und Industrie. Für das gesamte Finanzjahr wird ein Wachstum von 6,5% erwartet. Allerdings ist der Ausblick durch die globale Konjunkturabkühlung und eben jene US-Handelsunsicherheiten getrübt. Trotz der Kostenherausforderungen zeigte sich das Geschäftsvertrauen im indischen Dienstleistungssektor im Mai erholt von einem 23-Monats-Tief im April. Der HSBC India Composite PMI, der sowohl den Dienstleistungssektor als auch das verarbeitende Gewerbe umfasst, gab im Mai zwar leicht auf 59,3 Punkte nach (April: 59,7), deutet aber weiterhin auf eine starke Expansion der Privatwirtschaft hin.
Die geldpolitischen Entscheidungen in Asien und Europa scheinen sich in eine ähnliche Richtung zu bewegen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) steht kurz vor einer Zinssenkung, da hier ebenfalls eine gedämpfte Lohnentwicklung, ein starker Euro und ein laues Wirtschaftswachstum auf eine nachlassende Inflation hindeuten. Daten vom Dienstag zeigten, dass die Inflation in der Eurozone im Mai unter das EZB-Ziel von 2% gefallen ist.
Südkoreas Neuanfang und die Suche nach regionaler Stabilität
In Südkorea hat der neue liberale Präsident Lee Jae-myung nach seinem Erdrutschsieg sein Amt angetreten. Er versprach, die Wirtschaft anzukurbeln, unter anderem durch Deregulierung zur Förderung von Innovation und Wachstum. Gleichzeitig kündigte er an, den Dialog mit Nordkorea wieder aufzunehmen, während die starke Sicherheitsallianz mit den Vereinigten Staaten und eine ausgewogene Diplomatie beibehalten werden sollen. Die Börse in Seoul reagierte positiv auf seine Wahl; der Leitindex KOSPI stieg auf ein 10-Monats-Hoch, getragen von der Hoffnung auf wirtschaftliche Impulse und Marktreformen. Insbesondere Finanzwerte und Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien legten zu, da Lee eine umweltfreundlichere Energiepolitik angekündigt hat.
Allerdings steht Präsident Lee vor enormen Herausforderungen. Sein Land ist tief gespalten nach dem gescheiterten Kriegsrechtsversuch seines Vorgängers. Die Wirtschaftsprognose für das laufende Jahr ist mit einem erwarteten Wachstum von lediglich 0,8% – dem schwächsten seit 2020 – düster. Hinzu kommt der bereits erwähnte immense Druck durch die US-Handelspolitik. In dieser komplexen Lage verfolgt Lees Regierung offenbar eine Strategie der "strategischen Stille" und des Zeitgewinns. Man will die Entwicklungen in den USA sowie die Verhandlungsstrategien anderer großer Handelspartner wie China und Japan genau beobachten, um daraus Lehren für die eigenen Gespräche mit Washington zu ziehen. Einige Experten sehen Südkorea aufgrund seiner Stärke in für die USA wichtigen Sektoren wie Schiffbau und Technologie in einer vergleichsweise besseren Verhandlungsposition.
Die Suche nach Anlagealternativen: Emerging Asia im Fokus?
Die anhaltende Unsicherheit, die von der US-Handelspolitik ausgeht, hat dazu geführt, dass Investoren ihre Portfolios überprüfen und die Allokation in US-Anlagen reduzieren. Manishi Raychaudhuri, Gründer und CEO von Emmer Capital Partners Ltd., sieht angesichts dieser Entwicklung und im Vergleich zu Europa attraktivere Bewertungen in den Schwellenländern Asiens.
Diese Einschätzung wird durch positive Daten aus einigen Ländern der Region untermauert. Vietnam beispielsweise meldete nicht nur starke Exporte, sondern auch einen Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen um 7,9% auf 8,9 Milliarden US-Dollar im Zeitraum Januar bis Mai. Die Zusagen für ausländische Investitionen stiegen sogar um 51,1% auf 18,4 Milliarden US-Dollar.
Doch nicht alle Wirtschaftsräume zeigen eine derartige Dynamik. Australiens Wirtschaft beispielsweise wuchs im ersten Quartal kaum. Das Bruttoinlandsprodukt stieg lediglich um 0,2%, während die Jahreswachstumsrate bei enttäuschenden 1,3% stagnierte. Sparsame Konsumenten und rückläufige Staatsausgaben bremsten die Aktivität.
Die kommenden Wochen dürften entscheidend dafür sein, wie sich die globalen Märkte weiterentwickeln. Die Reaktionen auf die heute auslaufenden Handelsfristen der USA und wichtige Zinsentscheidungen, wie die der RBI am Freitag, werden die Richtung vorgeben. Die Schwellenländer Asiens könnten sich in diesem Umfeld als widerstandsfähig erweisen und möglicherweise von Kapitalumschichtungen profitieren. Dennoch bleiben die Risiken, insbesondere durch externe Schocks wie protektionistische Maßnahmen, hoch. Die globale Marktlandschaft bleibt somit volatil und von politischen Unwägbarkeiten geprägt, was Anleger zu erhöhter Wachsamkeit zwingt.