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US-Handel: Weltwirtschaft zittert!

Die von den USA verhängten Zölle belasten die Weltwirtschaft, besonders Großbritannien und Deutschland. Zentralbanken stehen vor schwierigen Entscheidungen.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Britische Wirtschaft schrumpft überraschend stark
  • Deutsche Konjunktur leicht erholt, aber unsicher
  • Zentralbanken zögern bei weiteren Zinssenkungen
  • Dollar schwächelt, Ölpreise zeigen Volatilität

Die internationalen Finanzmärkte stehen auch am heutigen Donnerstag, dem 12. Juni 2025, im Bann der globalen Handelskonflikte. Insbesondere die unberechenbare US-Handelspolitik unter Präsident Donald Trump sorgt für tiefgreifende Verunsicherung und schickt Schockwellen durch die Weltwirtschaft. Während Anleger nervös auf neue Inflationsdaten aus den USA und die nächsten Schritte der Zentralbanken blicken, kämpfen Unternehmen mit den Auswirkungen von Zöllen und gestörten Lieferketten. Die Frage, die sich alle stellen: Steuern wir auf eine Eskalation zu oder gibt es Hoffnung auf Entspannung?

Zoll-Poker lähmt Konjunktur: Europas Sorgenkinder

Die von den USA angedrohten und teilweise bereits umgesetzten „reziproken“ Zölle zeigen spürbare Auswirkungen. Besonders Großbritannien bekommt die Folgen zu spüren. Die britische Wirtschaft schrumpfte im April überraschend stark um 0,3% gegenüber dem Vormonat – der stärkste monatliche Rückgang seit Oktober 2023 und deutlich mehr als von Analysten erwartet. Finanzministerin Rachel Reeves sprach von „eindeutig enttäuschenden“ Zahlen. Ein wesentlicher Faktor für diesen Einbruch, der die Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung nach einem starken ersten Quartal 2025 dämpft, ist neben dem Auslaufen einer Steuererleichterung für Immobilienkäufe auch der Rückgang der Exporte in die USA. Britische Warenausfuhren dorthin fielen im April um massive 2,0 Milliarden Pfund, der größte Einbruch seit Beginn der monatlichen Aufzeichnungen 1997. Dies unterstreicht die Verwundbarkeit der britischen Wirtschaft gegenüber der US-Handelspolitik, obwohl ein bilaterales Handelsabkommen Ausnahmen von den erhöhten US-Zöllen auf Aluminium und Stahl vorsieht – ein allgemeiner 10%-iger Warenzoll aber bestehen bleibt. Das Pfund Sterling geriet nach Veröffentlichung der Daten unter Druck und die Renditen britischer Staatsanleihen (Gilts) fielen auf ein Monatstief. Die Bank of England dürfte angesichts der eingetrübten Konjunktur und der hartnäckigen Inflation bei ihrer Sitzung nächste Woche die Zinsen wohl unverändert lassen, Ökonomen erwarten jedoch noch zwei Zinssenkungen in diesem Jahr, wobei eine Lockerung im August wahrscheinlicher wird.

Auch für Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, ist die Lage angespannt. Zwar konnte das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Prognose für das laufende Jahr leicht auf ein Wachstum von 0,3% anheben, nachdem die Wirtschaft zwei Jahre in Folge geschrumpft war. Diese leichte Aufhellung ist primär einem besser als erwarteten ersten Quartal (+0,4%) zu verdanken. Die Experten sehen „Licht am Ende des Tunnels“, doch die Unsicherheiten, insbesondere durch die US-Handelspolitik und deren potenzielle Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie, bleiben hoch. Für 2026 wird ein Wachstum von 1,6% erwartet.

Handelspolitische Unsicherheit: Ein globales Damoklesschwert

Die Nervosität an den Märkten wird maßgeblich durch die unklare Linie von US-Präsident Trump befeuert. Zwar deutete er am Mittwoch eine mögliche Verlängerung der Frist für den Abschluss von Handelsabkommen über den 8. Juli hinaus an und sprach von laufenden Verhandlungen mit 15 Ländern, bei denen die USA „rocking in terms of deals“ seien. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass eine Verlängerung wahrscheinlich keine „Notwendigkeit“ darstelle und kündigte an, in den kommenden Wochen Briefe an Dutzende Nationen zu versenden, die die Bedingungen für Handelsabkommen festlegen – mit der klaren Ansage: „take it, or […] leave it.“ Diese widersprüchlichen Signale erschweren jede Planungssicherheit.

Die Hoffnung auf eine nachhaltige Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China erhielt durch eine diese Woche in London erzielte Rahmenvereinbarung zwar kurzzeitig Auftrieb. Analysten weisen jedoch auf den Mangel an konkreten Details hin und sehen die Tür für zukünftige Eskalationen weiterhin offen. Die Zerbrechlichkeit dieses Waffenstillstands belastet die Stimmung zusätzlich.

Diese globale Unsicherheit schlägt sich auch in der Luftfahrtindustrie nieder, die sich nächste Woche auf der Paris Airshow trifft. Obwohl Aufträge, insbesondere für Airbus auf heimischem Boden, erwartet werden – unter anderem von saudischen Fluggesellschaften und möglicherweise eine Großbestellung von AirAsia –, schwebt das Damoklesschwert der US-Zölle und fragiler Lieferketten über der Branche. Christian Scherer, CEO des Flugzeuggeschäfts von Airbus, beklagte: „Wir bekamen gerade unsere Köpfe aus dem Wasser (nach COVID) […] und jetzt diese Unsicherheit.“ Die Industrie versucht, sich auf dauerhafte Basiszölle von 10% einzustellen und lobbyiert gleichzeitig für Ausnahmen. Die Spannungen im Verteidigungssektor aufgrund des Ukraine-Krieges und der Lage im Nahen Osten führen zudem zu massiven Steigerungen der Verteidigungsetats in Europa, was auf der Messe ein wichtiges Thema sein wird.

Geldpolitik im Spagat: Zentralbanken zwischen Inflation und Rezessionsgefahr

Die unsichere Weltlage zwingt die Zentralbanken zu einem schwierigen Balanceakt. Gediminas Simkus, Mitglied des EZB-Rats, forderte heute in Vilnius eine Pause bei den Zinsschritten. Nach acht Zinssenkungen sei nun ein „neutrales Niveau“ erreicht, und es sei wichtig, sich nicht auf eine Richtung festzulegen, insbesondere angesichts der „sehr großen Unsicherheit“ über die US-Zollpolitik und Entscheidungen, die am 9. Juli erwartet werden. Simkus schließt eine weitere Zinssenkung in diesem Jahr nicht aus, da er ein „erhöhtes Risiko sieht, dass die Inflation niedriger sein könnte als das mittelfristige Ziel.“ Diese eher taubenhafte Haltung steht im Kontrast zur Position der EZB letzte Woche, als sie nach der Zinssenkung eine Pause im Lockerungszyklus andeutete, da die Inflation ihr 2%-Ziel erreicht hatte.

Andernorts agieren Notenbanken ebenfalls vorsichtig. Die Nationalbank Serbiens (NBS) beließ ihren Leitzins heute überraschend bei 5,75%, obwohl die Konsensprognose eine Senkung um 25 Basispunkte erwartet hatte. Dies geschah trotz einer auf 3,8% gesunkenen Inflation im Mai und Anzeichen einer abgeschwächten Wirtschaftsleistung. Die NBS begründete ihre Entscheidung mit der erhöhten Unsicherheit durch die globale Handelspolitik und deren potenzielle Auswirkungen auf Inflation und Wachstum. Eine Lockerung sei erst denkbar, wenn sich die Inflation prognosegemäß entwickle.

Dass die Märkte dennoch mit weiteren Zinssenkungen rechnen, zeigt sich am italienischen Anleihemarkt. Die Renditen für dreijährige italienische Staatsanleihen fielen bei einer Auktion heute auf 2,24%, den niedrigsten Stand seit Juli 2022. Dies spiegelt die Erwartung wider, dass globale Zentralbanken bald mit Zinssenkungen beginnen könnten.

In den USA richtet sich der Fokus auf die heute anstehenden Erzeugerpreisdaten (PPI) für Mai. Ökonomen erwarten einen Anstieg von 0,2% im Monatsvergleich, nachdem die Preise im April um 0,5% gefallen waren. Auf Jahressicht wird eine Beschleunigung auf 2,6% prognostiziert. Diese Daten sind, ebenso wie die gestern veröffentlichten, eher verhaltenen Verbraucherpreise (CPI), ein wichtiger Indikator für die zukünftige Geldpolitik der Federal Reserve. Trotz der gedämpften CPI-Zahlen bleiben Sorgen bestehen, dass Trumps Zollagenda die Inflation wieder anheizen könnte. Der Markt preist derzeit zwei Zinssenkungen der Fed um jeweils 25 Basispunkte bis Jahresende ein, mit einer 80%-igen Wahrscheinlichkeit für den ersten Schritt im September.

Marktbewegungen: Dollar unter Druck, Öl volatil

Die Unsicherheit über die US-Handelspolitik und die Erwartung von Fed-Zinssenkungen setzen den US-Dollar unter Druck. Der Dollar-Index fiel heute auf den niedrigsten Stand seit dem 22. April. Der Euro profitierte davon und erreichte zwischenzeitlich ein Siebenwochenhoch bei 1,1513 Dollar. Die Gemeinschaftswährung zeigt seit Jahresbeginn eine bemerkenswerte Stärke von fast 11%, gestützt durch die Dollarschwäche und die Erwartung einer hawkischeren Haltung der EZB im Vergleich zur Fed, deren Zinsen Präsident Trump wiederholt gesenkt sehen möchte. Der japanische Yen legte ebenfalls gegenüber dem Dollar zu.

Die Ölpreise zeigten sich volatil. Nachdem sie gestern aufgrund der Fortschritte in den US-chinesischen Handelsgesprächen und der Hoffnung auf eine dadurch steigende globale Nachfrage um über 4% zugelegt hatten, gaben sie heute wieder nach. Brent-Rohöl fiel um 1,3% auf 68,89 Dollar pro Barrel, WTI-Rohöl um 1,2% auf 67,33 Dollar. Die gestrigen Gewinne spiegelten auch erhöhte geopolitische Risiken wider, insbesondere nach Berichten über eine mögliche Teilevakuierung der US-Botschaft im Iran und Drohungen aus Teheran.

Positive Unternehmensnachrichten kamen von Oracle. Die Aktie des Cloud-Computing-Konzerns stieg nachbörslich deutlich, nachdem das Unternehmen sein Jahresumsatzziel angehoben und eine starke Nachfrage von Kunden hervorgehoben hatte, die Künstliche Intelligenz nutzen wollen. CEO Safra Catz prognostizierte für das Geschäftsjahr 2026 einen Umsatz von mindestens 67 Milliarden Dollar.

Während einige Schwellenländer wie Tansania optimistisch in die Zukunft blicken – dort wird für 2025 ein Wirtschaftswachstum von 6% erwartet –, bleibt die Gesamtlage an den globalen Finanzmärkten von hoher Nervosität und der unkalkulierbaren US-Handelspolitik geprägt. Die kommenden Wochen, insbesondere die Entwicklungen bis zur US-Zoll-Deadline am 8. Juli und die Signale der Zentralbanken, werden entscheidend für die weitere Richtung sein.

Felix Baarz

Felix Baarz ist Wirtschaftsjournalist mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Berichterstattung über internationale Finanzmärkte. Als gebürtiger Kölner begann er seine Laufbahn bei einer deutschen Fachpublikation, bevor er für sechs Jahre nach New York zog.

In New York berichtete er direkt aus dem Zentrum der globalen Finanzwelt über Entwicklungen an der Wall Street und wirtschaftspolitische Entscheidungen von internationaler Tragweite. Diese Zeit prägte seine analytische Herangehensweise an komplexe Wirtschaftsthemen.

Heute arbeitet Baarz als freier Journalist für führende deutschsprachige Wirtschafts- und Finanzmedien. Seine Schwerpunkte liegen auf der fundierten Analyse globaler Finanzmärkte und der verständlichen Aufbereitung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge. Neben seiner schriftlichen Arbeit moderiert er Fachdiskussionen und nimmt an Expertenrunden teil.

Sein journalistischer Ansatz kombiniert tiefgreifende Recherche mit präziser Analyse, um Lesern Orientierung in einer sich wandelnden Wirtschaftswelt zu bieten.