Die Trumpsche Handelspolitik erreicht eine neue Eskalationsstufe. Während der US-Präsident Russland mit „sehr schweren Zöllen" droht und 30%-Abgaben auf EU-Waren ankündigt, zeigen sich die globalen Märkte gespalten. Gleichzeitig warnt die Federal Reserve vor den volkswirtschaftlichen Kosten der Zollpolitik – ein Paradox, das die Finanzwelt aufhorchen lässt.
Russische Märkte profitieren von Trump-Ultimatum
Paradoxerweise reagierten die russischen Märkte positiv auf Trumps Drohung. Der Rubel stieg um 0,8% gegenüber dem chinesischen Yuan und der Moskauer Aktienindex legte 2,7% zu. Analyst Artyom Nikolayev von Invest Era erklärt das Phänomen: „Trump blieb unter den Markterwartungen. Die 50-Tage-Frist gibt der russischen Führung Zeit für Verhandlungen."
Diese Interpretation zeigt, wie sehr die Märkte auf Trumps Verhandlungstaktik eingestellt sind. Die Ankündigung neuer Waffenlieferungen an die Ukraine und die Drohung mit Sanktionen gegen Käufer russischer Exporte werden als Verhandlungsposition verstanden, nicht als finale Entscheidung.
Europäische Zentralbank vor schwieriger Entscheidung
Die angekündigten 30%-Zölle auf EU-Waren stellen die Europäische Zentralbank vor ein Dilemma. Fünf EZB-Ratsmitglieder bestätigten gegenüber Reuters, dass diese Zollhöhe selbst die negativsten Szenarien der Bank übertrifft. Ursprünglich hatte die EZB mit 20%-Zöllen kalkuliert, die das Eurozonenwachstum um einen Prozentpunkt mindern würden.
Trotz der verschärften Bedrohung plant die EZB für ihre Juli-Sitzung zunächst eine Zinspause. „Die Gouverneure zögern, auf eine noch immer ungewisse Drohung zu reagieren", heißt es aus Kreisen der Notenbank. Sollten die Zölle jedoch tatsächlich eingeführt werden, prognostiziert Barclays eine Senkung des EZB-Einlagensatzes auf nur noch 1% bis März 2026.
US-Wirtschaft zahlt den Preis
Während Trump die Zölle als Verhandlungsinstrument einsetzt, warnt die Federal Reserve San Francisco vor den heimischen Kosten. Eine Studie prognostiziert bei 25% Zöllen auf kanadische und mexikanische Waren sowie 30% auf chinesische Produkte einen Rückgang der US-Beschäftigung um 0,2% und des realen Einkommens um 0,4%.
Besonders brisant: Während 31 Bundesstaaten von höheren Realeinkommen profitieren könnten, würden Großstaaten wie Kalifornien und Texas Einbußen erleiden. „Die Staaten, die am meisten verlieren, haben enge Handelsbeziehungen zu den von Zöllen betroffenen Ländern", erklären die Fed-Forscher.
Märkte zwischen Hoffnung und Realität
Der Hafen von Los Angeles liefert einen Vorgeschmack auf die Marktdynamik: Nach der Entspannung im Handelstreit mit China stiegen die Importe im Juni um 10% gegenüber dem Vorjahr. Hafendirektor Gene Seroka spricht vom „Zoll-Peitscheneffekt" – Unternehmen kaufen vor drohenden Zöllen auf Vorrat.
Für August rechnet Seroka wieder mit rückläufigen Importen, wenn die neuen Zölle greifen. Diese Volatilität macht Planungen für Unternehmen schwierig und verstärkt die Unsicherheit an den Märkten.
Mexiko kontert mit Sicherheitsforderungen
Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum nutzt Trumps Zolldrohungen für eigene Forderungen. „Wir tun unseren Teil, aber sie müssen auch das ihre tun", konterte sie und verwies auf die Notwendigkeit, Waffenlieferungen von den USA nach Mexiko zu stoppen und Drogenhändler auf US-Boden zu verhaften.
Sheinbaum zeigt sich optimistisch, dass ein Sicherheitsabkommen vor dem 1. August unterzeichnet werden kann – dem Stichtag für die neuen Zölle. Dabei stellt sie klar: US-Sicherheitskräfte werden nicht auf mexikanischem Boden operieren.
Fed-Personalien im Fokus
Inmitten der Handelskonflikte rückt die Besetzung der Fed-Spitze in den Fokus. Trump-Berater Kevin Hassett gilt laut Washington Post als Favorit für den Fed-Vorsitz. Der 63-jährige Ökonom, der bereits in Trumps erster Amtszeit diente, wird als kompatibler mit Trumps Forderung nach niedrigeren Zinsen eingeschätzt als der aktuelle Fed-Chef Jerome Powell.
Ausblick: Verhandlungen oder Eskalation?
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Trumps Drohungen Verhandlungstaktik oder ernst gemeinte Politik sind. Während die Märkte auf Kompromisse hoffen, bereiten sich Unternehmen und Zentralbanken auf alle Szenarien vor. Die Gefahr: Selbst die Androhung von Zöllen erzeugt bereits Marktverzerrungen und Unsicherheit, die sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken können.