Die Wall Street verabschiedet sich mit gedämpften Tönen aus einem außergewöhnlichen Börsenjahr. Am Montag gaben die großen US-Indizes nach, nachdem der S&P 500 in der Vorwoche noch Rekordhochs markiert hatte. Besonders die Tech-Giganten, die den Markt 2025 dominiert hatten, mussten Federn lassen – doch Experten sehen darin keineswegs das Ende der Rally, sondern eine willkommene Verschnaufpause vor dem nächsten Anstieg.
Gewinnmitnahmen bei Tech-Favoriten
Der S&P 500 verlor 0,35 Prozent auf 6.905,74 Punkte, während der Nasdaq Composite 0,50 Prozent auf 23.474,35 Zähler einbüßte. Der Dow Jones Industrial Average gab 0,51 Prozent auf 48.461,93 Punkte nach. Verantwortlich für den Rücksetzer war vor allem der Technologiesektor: Nvidia rutschte um 1,2 Prozent ab, Palantir Technologies verlor 2,4 Prozent. Selbst Tesla, das erst in der Vorwoche ein Rekordhoch erreicht hatte, gab 3,3 Prozent nach.
„Das ist nicht der Anfang vom Ende der Tech-Dominanz, sondern wird sich als Kaufgelegenheit herausstellen“, kommentiert Hank Smith, Anlagestratege bei Haverford Trust, gelassen. Seine Begründung: Die führenden Tech-Namen wiesen mit Ausnahme von Tesla keine herausfordernden Bewertungen auf – angesichts ihrer Wachstumsraten, Burggraben-Eigenschaften und beispiellosen Finanzkraft.
Edelmetalle unter Druck
Auch der Materialsektor geriet unter die Räder. Minenaktien für Edelmetalle fielen deutlich, nachdem Silber nach dem erstmaligen Überschreiten der 80-Dollar-Marke pro Unze scharf korrigierte. Gold gab ebenfalls nach, obwohl es in der Vorwoche noch Rekordstände erreicht hatte. Der Spotpreis für Gold stürzte um 4,43 Prozent auf 4.331,44 Dollar je Unze – ein klares Zeichen für Gewinnmitnahmen nach der beeindruckenden Rally.
Ganz anders das Bild bei Energiewerten: Der Sektor legte knapp ein Prozent zu und profitierte von einem zweiprozentigen Anstieg der Ölpreise. US-Rohöl verteuerte sich um 2,36 Prozent auf 58,14 Dollar je Barrel, Brent-Öl kletterte auf 61,94 Dollar. Hintergrund waren die komplizierten Verhandlungen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs – nachdem Russland die Ukraine beschuldigte, Präsident Wladimir Putins Residenz angegriffen zu haben.
Bankensektor nach Rekordlauf schwächer
Bankaktien, die 2025 zu den großen Gewinnern zählten, mussten ebenfalls Federn lassen. Citigroup, die dank Fortschritten bei der Behebung regulatorischer Probleme seit Jahresbeginn um beachtliche 68 Prozent zugelegt hatte, verlor am Montag 1,9 Prozent. Der Rücksetzer erfolgte nach einer beeindruckenden Serie: Dow und S&P 500 steuerten auf ihren achten aufeinanderfolgenden Gewinnmonat zu.
Das dünne Handelsvolumen von 13,08 Milliarden gehandelten Aktien – deutlich unter dem 20-Tage-Durchschnitt von 16,2 Milliarden – spiegelte die Zurückhaltung vieler Marktteilnehmer in der letzten Handelswoche des Jahres wider. Viele Investoren hatten auf eine „Santa Claus Rally“ gehofft, bei der der S&P 500 traditionell in den letzten fünf Handelstagen des Jahres und den ersten beiden im Januar zulegt.
Bullenmarkt bleibt intakt
Trotz der Schwäche am Montag bleibt der seit Oktober 2022 laufende Bullenmarkt intakt. Alle drei Hauptindizes steuern auf ihr drittes Gewinnjahr in Folge zu, wobei der S&P 500 bisher rund 17 Prozent zugelegt hat. Die anhaltende Begeisterung für Künstliche Intelligenz, Zinssenkungen der Federal Reserve und eine robuste Wirtschaft haben die Märkte durch Sorgen über hohe Bewertungen und Volatilität getragen.
Rob Haworth, Anlagestratege bei U.S. Bank Wealth Management, sieht Raum für weitere Gewinne: „Als wir das Jahr begannen, wurden Zölle implementiert, und die Frage lautete: Wird der Markt das überstehen? Die Antwort war ja. Die Weltwirtschaft hat viele Stürme und Unsicherheiten gemeistert, weil Verbraucher konsumiert und Unternehmen investiert haben.“
Fed-Protokoll im Fokus
In der ansonsten datenarmen Woche richten sich die Blicke auf das Sitzungsprotokoll der Federal Reserve und die wöchentlichen Arbeitslosenzahlen. Die Fed hatte bei ihrer jüngsten Sitzung die Zinsen gesenkt, aber nur noch eine weitere Reduzierung für 2026 signalisiert – während die Märkte aktuell mit etwa zwei weiteren Senkungen rechnen.
Peter Oppenheimer, Chef-Aktienstratege bei Goldman Sachs, zeigt sich optimistisch für 2026: „Angesichts der erwarteten anhaltenden globalen Wirtschaftsexpansion und weiterer Lockerungen durch die Federal Reserve wäre es ungewöhnlich, ohne Rezession einen signifikanten Aktienrückschlag oder Bärenmarkt zu sehen.“
Währungen und M&A-Aktivität
Am Devisenmarkt stärkte sich der Yen, nachdem die Protokolle der Bank of Japan zeigten, dass Entscheidungsträger über die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen debattierten. Der Dollar schwächte sich um 0,27 Prozent auf 156,11 Yen ab, während Finanzministerin Satsuki Katayama bekräftigte, Japan habe im Umgang mit exzessiven Yen-Bewegungen freie Hand.
Zu den positiven Ausreißern zählte DigitalBridge mit einem Kurssprung von 9,6 Prozent, nachdem bekannt wurde, dass Japans SoftBank Group den Digital-Infrastruktur-Investor für vier Milliarden Dollar übernehmen will. Das Verhältnis von fallenden zu steigenden Aktien lag an der NYSE bei 1,63 zu 1, an der Nasdaq sogar bei 2,38 zu 1 – ein deutliches Zeichen für die breite Schwäche zum Wochenauftakt.
Doch die Grundstimmung bleibt konstruktiv: Nach drei Jahren starker Gewinne gibt es gute Gründe, auch ein viertes erfolgreiches Jahr zu erwarten, so der Tenor unter Strategen.
