Ein technischer Defekt legte den Futures-Handel stundenlang lahm – und löste eine Panikreaktion aus, die ihresgleichen sucht. Doch der Systemausfall an der COMEX war nur der Zündfunke für eine längst überfällige Explosion. Während die Bildschirme schwarz blieben, rissen sich Händler um das physische Metall, denn die Lager sind so leer wie seit Jahren nicht. Droht nun der totale Versorgungsengpass?
Leere Tresore: Der wahre Preistreiber
Ein Ausfall des Kühlsystems beim Börsenbetreiber CME brachte den Futures-Handel am Freitag für über elf Stunden zum Erliegen. Ohne die Referenzpreise der Terminbörse trocknete die Liquidität aus, und die Spreads weiteten sich massiv. Als der Handel wieder anlief, entlud sich der aufgestaute Druck in einer vertikalen Kursbewegung: Der Silberpreis schoss am Freitag um satte 6,81 Prozent nach oben und markierte bei 56,45 US-Dollar ein neues Allzeithoch. Damit liegt das Edelmetall exakt auf dem Niveau seines 52-Wochen-Hochs.
Der technische Defekt legte lediglich offen, wie extrem nervös der Markt aufgrund der fundamentalen Knappheit ist. Die Bestände in den Londoner Tresoren sind seit 2022 um ein Drittel eingebrochen, und die physische Verfügbarkeit schwindet weltweit rapide:
- China trocknet aus: Die Lagerbestände an der SHFE sind auf den tiefsten Stand seit 2015 gefallen.
- Abflüsse im Westen: Seit Oktober verließen 75 Millionen Unzen die COMEX-Tresore.
- Warnsignal Leihkosten: In London explodierten die Kosten für das Ausleihen von Silber zeitweise auf annualisiert 200 Prozent – ein klares Indiz für akuten Mangel.
Industrie und Indien saugen den Markt leer
Das Edelmetall steuert auf das fünfte Defizitjahr in Folge zu. Allein bis Ende 2025 fehlen dem Markt laut Silver Institute fast 820 Millionen Unzen. Neben dem enormen Hunger der Solarindustrie treiben nun auch KI-Datenzentren und die Elektromobilität die Nachfrage in die Höhe.
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Gleichzeitig tritt Indien als aggressiver Käufer auf. Der weltgrößte Konsument nimmt jährlich rund 4.000 Tonnen vom Markt. Besonders pikant: Indische Landwirte investieren ihre Erntegewinne traditionell in physisches Silber statt in Bankprodukte, was den Preisdruck unabhängig von westlichen Finanzmärkten hochhält. Die Aufnahme von Silber in die US-Liste kritischer Mineralien und drohende Zölle verstärken zudem die Zurückhaltung der Händler, Material überhaupt noch zu exportieren.
Besser als Gold?
Mit einem beeindruckenden Jahresplus von über 70 Prozent stellt Silber sogar die Performance von Gold deutlich in den Schatten. Das Gold-Silber-Verhältnis fiel zuletzt drastisch, was die massive Aufholjagd des Industriemetalls unterstreicht.
Die Situation auf der Angebotsseite verschärft die Lage weiter: Die Minenproduktion stagniert seit einem Jahrzehnt, insbesondere in Mittel- und Südamerika bremsen Ressourcenerschöpfung und fehlende Investitionen den Nachschub. Da neue Projekte Jahre bis zur Realisierung benötigen, trifft die explodierende Nachfrage auf ein völlig unelastisches Angebot. Solange sich an dieser fundamentalen Schieflage nichts ändert, dürfte das Allzeithoch vom Freitag wohl nicht das letzte gewesen sein.
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