Europäische Nationen haben ein beispielloses Finanzpaket zur Rettung des kongolesischen Regenwalds geschnürt – ausgerechnet während des UN-Klimagipfels in Brasilien. Die „Belem Call“-Initiative unter Führung Frankreichs und Gabuns mobilisiert mehr als 2,5 Milliarden Dollar über fünf Jahre, um das zweitgrößte Regenwaldgebiet der Welt zu schützen. Doch der Zeitpunkt der Ankündigung sorgt für diplomatische Spannungen: Gastgeber Brasilien sieht seine eigene Wald-Finanzierungsinitiative in den Schatten gestellt.
Europäische Allianz mit ambitionierten Zielen
Deutschland, Norwegen, Belgien und Großbritannien haben sich der französisch-gabunischen Initiative angeschlossen. Auch die Europäische Kommission, die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank unterstützen das Programm. Die Gelder sollen gemeinsam mit nationalen Mitteln zentralafrikanischer Länder fließen und bis 2030 die Entwaldung im Kongobecken vollständig stoppen.
Das Kongo-Becken erstreckt sich über mindestens sechs Länder in Zentralafrika, wobei der größte Teil in der Demokratischen Republik Kongo liegt. Die Region absorbiert mittlerweile mehr Netto-Treibhausgase als andere Waldgebiete weltweit – eine Tatsache, die dem Schutzprojekt besondere Dringlichkeit verleiht. Neben direkter finanzieller Unterstützung sollen afrikanische Staaten durch Technologietransfer, Ausbildungsprogramme und Partnerschaften bei der Bekämpfung der Entwaldung unterstützt werden.
Diplomatisches Dilemma beim Klimagipfel
Die Ankündigung während der COP30 in Belém erfolgte nicht ohne Hintergedanken. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte die Tropical Forests Forever Facility (TFFF) als Zukunft der Klimafinanzierung angepriesen – ein Modell, das Zuschüsse durch skalierbare Investitionen ersetzt. Norwegen sagte dem brasilianischen Fonds am Donnerstag bereits 3 Milliarden Dollar zu, Frankreich bis zu 500 Millionen Euro. Deutschland versprach einen „signifikanten“ Beitrag.
„Theoretisch sind beide Initiativen sehr unterschiedlich“, erklärte ein mit beiden Vorschlägen vertrauter Diplomat. Die TFFF würde jährliche Zahlungen an Regenwaldnationen ohne Auflagen leisten. Dennoch könnte die Konkurrenz zweier rivalisierender Regenwaldfonds kontraproduktiv wirken. Die bewusste Platzierung der Kongo-Initiative im brasilianischen Amazonas-Gebiet – wo der Klimagipfel gezielt auf die Notwendigkeit hinweisen sollte, Emissionen durch Entwaldung zu bekämpfen – sorgt für diplomatische Verstimmungen.
Bedrohung für drei globale Waldgiganten
Neben dem Kongo-Becken und dem Amazonas – dem weltgrößten Regenwald – bildet das Borneo-Mekong-Südostasien-Becken den dritten großen Waldkomplex des Planeten. Alle drei Regionen stehen unter massivem Druck durch expandierende Agrarfronten, Holzeinschlag, Bergbau und andere Industrien. Die Mobilisierung von mehr Geld zum Schutz und zur Wiederherstellung der verbliebenen Regenwälder steht im Zentrum der UN-Klimaverhandlungen.
Die strategische Bedeutung des Kongobeckens wird durch seine Absorptionskapazität für Treibhausgase unterstrichen. Während der Amazonas durch intensive Abholzung und Brände bereits geschwächt ist, übernimmt das afrikanische Pendant zunehmend dessen Rolle als globale Kohlenstoffsenke. Das macht die europäische Initiative zu einem entscheidenden Baustein im Kampf gegen den Klimawandel – auch wenn der Zeitpunkt der Verkündung politisch heikel war.
Finanzierung zwischen Konkurrenz und Komplementarität
Die parallele Existenz zweier großer Waldschutz-Finanzierungsmechanismen wirft Fragen nach Koordination und Effizienz auf. Während die brasilianische TFFF auf bedingungslose Zahlungen setzt, kombiniert die Kongo-Initiative finanzielle Mittel mit Kapazitätsaufbau und technologischer Unterstützung. Befürworter argumentieren, dass unterschiedliche Ansätze für verschiedene Regionen angemessen sein könnten.
Das Gesamtvolumen von über 2,5 Milliarden Dollar für den Kongo erscheint beachtlich, doch Experten bezweifeln, ob dies ausreicht, um die vielfältigen Bedrohungen zu neutralisieren. Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank sollen helfen, zusätzliche Mittel zu mobilisieren. Die Herausforderung liegt darin, die Gelder effektiv einzusetzen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Länder zu berücksichtigen – ein Balanceakt zwischen Naturschutz und Entwicklung.
