Japan steht vor einer politischen Zitterpartie – doch ausgerechnet der schwache Yen könnte jetzt zur Rettungsleine werden. Die überraschende Niederlage der Regierungskoalition bei der Oberhauswahl wirft Fragen über Japans Handlungsfähigkeit in den entscheidenden Handelsspielen mit den USA auf. Doch während die Politik zittert, zeigt der Finanzmarkt eine bemerkenswerte Resilienz.
Politisches Erdbeben mit Folgen
Premierminister Shigeru Ishibas Liberaldemokraten verloren am Wochenende die Mehrheit im Oberhaus – ein herber Rückschlag nur Monate nach dem Debakel bei der Unterhauswahl. Der politische Druck auf Ishiba wächst, während die Uhr für die Verhandlungen mit Washington tickt: Ab 1. August drohen US-Strafzölle auf japanische Exporte.
Doch die eigentliche Überraschung? Der Yen zeigte sich erstaunlich stabil und gewann sogar leicht. "Der Markt hatte Schlimmeres erwartet", kommentiert Carol Kong von der Commonwealth Bank of Australia. Die Ruhe ist bemerkenswert, denn Japan steht vor einer doppelten Herausforderung:
- Politische Lähmung könnte dringende Reformen blockieren
- Steigende Staatsausgaben bei ohnehin schon rekordhohen Schulden von 250% des BIPs
Das Yen-Paradox: Warum Japan (noch) durchkommt
Eigentlich müssten Japans Anleihen bei dieser Schuldenlast abstürzen. Doch drei Faktoren wirken wie ein Sicherheitsnetz:
Der schwache Yen als Magnet: Ausländische Investoren nutzen die Währungsschwäche für "Carry Trades" – sie tauschen Dollar zu günstigen Kursen und profitieren von den höheren japanischen Renditen. Allein 2025 flossen über 15 Billionen Yen (101 Mrd. Dollar) in japanische Anleihen.
Domestische Puffer: Japans gigantische Pensionsfonds (wie der GPIF) und Versicherer halten über 3,6 Billionen Dollar im Ausland – ein potenzieller Stabilisator für heimische Anleihen. "Japan ist globaler Nettogläubiger, das unterscheidet es fundamental von anderen hochverschuldeten Nationen", betont Marcel Thieliant von Capital Economics.
Wachstum als Rettungsanker: Nach Jahren der Deflation verzeichnet Japan endlich stabiles Wachstum. Die Wirtschaftsexpansion könnte helfen, die Schuldenquote langsam zu senken.
Die große Unbekannte: Trumps nächster Zug
Während Japan mit internen Turbulenzen kämpft, könnte der eigentliche Game Changer aus Washington kommen. Präsident Trump drängt offenbar auf drastischere Handelsbedingungen als erwartet – Medienberichten zufolge peilt sein Team Basiszölle von 15-20% an, nicht nur für Japan, sondern auch für die EU.
Für Tokio wird es eng: Die Opposition fordert bereits Ishibas Rücktritt, während die Deadline für ein Handelsabkommen näher rückt. Sollte es zu keinem Deal kommen, könnte der Yen seine aktuelle Stabilität schnell verlieren.
Ausblick: Wackelkurs mit Chancen
Kurzfristig profitiert Japan von seiner einzigartigen Finanzarchitektur. Der schwache Yen wirkt wie ein Schockdämpfer, der ausländisches Kapital anzieht. Doch mittelfristig steht das Land am Scheideweg:
- Positive Szenario: Ein Handelsdeal mit den USA und politische Stabilisierung könnten Japans Reformdynamik neu beleben.
- Risikoszenario: Eskaliert der Handelsstreit oder kollabiert die Regierung, droht ein Abfluss ausländischen Kapitals – mit Folgen für Yen und Anleihemärkte.
Eines ist klar: Japans nächste Wochen werden zur Nagelprobe. Doch die aktuelle Ruhe an den Märkten zeigt: Noch vertrauen viele Investoren auf die bewährten Stabilisatoren des Landes. Ob dieses Vertrauen den politischen Wirren standhält, wird sich bald zeigen.