Sanae Takaichi hat Geschichte geschrieben. Die 64-jährige Konservative wurde am Samstag zur neuen Vorsitzenden der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) gewählt und wird damit Japans erste Premierministerin. Doch ihre Wahl könnte die Finanzmärkte in Aufruhr versetzen.
Märkte setzen auf Stimulus-Politik
Die japanischen Märkte reagierten bereits im Vorfeld euphorisch auf Takaichis Aufstieg. Der Nikkei erreichte mit 45.769,50 Punkten ein neues Rekordhoch, während sich ein regelrechter „Takaichi-Trade“ entwickelte – bullish bei Aktien, bearish bei langfristigen Staatsanleihen.
„Das könnte als positive Überraschung für die Aktienkurse betrachtet werden“, erklärt Resona Holdings-Stratege Hiroki Takei. Short-Positionen am Index könnten sich auflösen und eine Rallye bis 47.000 Punkte befeuern.
Takaichiis expansive Finanz- und Geldpolitik-Agenda erinnert stark an die „Abenomics“ ihres verstorbenen Mentors Shinzo Abe. Die Märkte wittern bereits massive Ausgabenprogramme und niedrigere Zinsen.
Anleihen unter Druck, Yen schwächelt
Am Anleihenmarkt herrscht hingegen Nervosität. Die 30-jährigen JGB-Renditen schossen bereits am 8. September auf ein Rekordhoch von 3,285%, nachdem der vorherige Premier Ishiba seinen Rücktritt ankündigte.
„Sie wird es der Bank of Japan schwer machen, die Zinsen zu erhöhen“, prognostiziert Tohru Sasaki von der Fukuoka Financial Group. Gleichzeitig dürften höhere Staatsausgaben die Verschuldung weiter antreiben – ein toxischer Mix für Anleihen.
Der Yen schloss bei 147,44 pro Dollar und könnte unter Takaichiis lockerer Geldpolitik weiter schwächeln. Ihre Kritik an den jüngsten Zinserhöhungen der Bank of Japan dürfte deren Hands-off-Ansatz verstärken.
Internationale Spannungen programmiert
Takaichiis nationalistische Positionen bergen geopolitische Sprengkraft. Ihre regelmäßigen Besuche am umstrittenen Yasukuni-Schrein könnten die Beziehungen zu China und Südkorea verschlechtern.
Besonders brisant: Sie erwägt eine „quasi-sicherheitspolitische Allianz“ mit Taiwan und will das Investitionsabkommen mit den USA unter Trump überdenken. „Japan ist zurück!“, verspricht sie bei geplanten häufigeren Auslandsreisen.
Wirtschaftspolitische Wende erwartet
„Die Regierung und die Zentralbank müssen eng zusammenarbeiten, um eine nachfragegetriebene Inflation zu erreichen“, erklärte Takaichi nach ihrem Wahlsieg. Sie will weg von der kostengetriebenen Teuerung hin zu lohnbasierten Preissteigerungen.
Ihre Pläne für Steuererleichterungen und erhöhte Staatsausgaben dürften Japans ohnehin rekordhohe Verschuldung weiter befeuern. Investoren fragen sich bereits, wie diese Politik finanziert werden soll.
Parlaments-Vote als letztes Hindernis
Am 15. Oktober soll das Parlament den neuen Premier wählen. Obwohl die LDP ihre Mehrheit in beiden Kammern verloren hat, gilt Takaichiis Wahl als sicher.
Die neue Regierungschefin steht vor enormen Herausforderungen: steigende Preise, demographischer Wandel und eine skeptische Öffentlichkeit. Ihr Versprechen, mehr Frauen in die Regierung zu holen – „auf nordischem Niveau“ – wird auf die Probe gestellt.
Während die Märkte auf ihre stimulus-freundliche Agenda setzen, warnen Kritiker vor den langfristigen Kosten ihrer Politik. Japan steht vor einer Zeitenwende – mit ungewissem Ausgang.