Der japanische Yen gerät trotz Zinserhöhungen massiv unter Druck – und die Sorgen über die finanzpolitische Zukunft des Landes verschärfen die Situation. Während Tokio mit verbalen Interventionsdrohungen versucht, die Währung zu stützen, warnen ehemalige Notenbanker vor einem gefährlichen Teufelskreis aus steigenden Anleiherenditen und explodierender Staatsverschuldung.
Zinserhöhung verpufft am Devisenmarkt
Die Bank of Japan (BOJ) hob am Freitag ihren Leitzins auf 0,75 Prozent an – den höchsten Stand seit drei Jahrzehnten. Doch statt den Yen zu stärken, fiel die Währung auf ein 11-Monats-Tief von 157,78 gegenüber dem US-Dollar. Der Grund: Gouverneur Kazuo Uedas zurückhaltende Rhetorik signalisierte den Märkten, dass weitere Zinsschritte nicht unmittelbar bevorstehen. Am Dienstagmorgen notierte der Yen bei 156,77 pro Dollar – eine leichte Erholung, die jedoch kaum Entwarnung bedeutet.
Das Paradoxon irritiert Beobachter: Trotz schrumpfender Zinsdifferenz zu den USA schwächelt der Yen weiter. Seiji Adachi, bis März 2025 Mitglied im BOJ-Direktorium, sieht die Ursache nicht in der Geldpolitik, sondern in den fiskalischen Aussichten Japans. „Die Anleger fordern eine höhere Risikoprämie für Japans Staatsfinanzen“, erklärt der ehemalige Notenbanker. Die Märkte zweifeln schlicht daran, dass Tokio seine Haushaltsdisziplin wahren kann.
Premierministerin heizt Schuldenfeuer an
Die expansive Finanzpolitik von Premierministerin Sanae Takaichi verschärft die Lage dramatisch. Ihr erstes Budget für das kommende Fiskaljahr dürfte laut Nikkei-Zeitung 122 Billionen Yen (etwa 781 Milliarden Dollar) überschreiten – ein neuer Rekord. Die Neuemission von Staatsanleihen soll die bisherigen 28,6 Billionen Yen aus dem Vorjahr übersteigen. Hinzu kommt ein Konjunkturpaket von 21,3 Billionen Yen, das über einen Nachtragshaushalt finanziert wird.
Diese aggressive Ausgabenpolitik trifft auf eine ohnehin angespannte Situation: Japans Staatsverschuldung zählt bereits zu den höchsten der Industrienationen. Adachi warnt eindringlich: „Steigende Anleiherenditen werden 2026 das größte Risiko für Japans Wirtschaft sein.“ Die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen kletterte am Montag auf 2,1 Prozent – den höchsten Stand seit 27 Jahren. Jeder weitere Zinsschritt der BOJ verteuert die Refinanzierung dieser gewaltigen Schuldenlast zusätzlich.
Tokio droht mit Intervention
Finanzministerin Satsuki Katayama reagierte am Dienstag mit den bislang schärfsten Warnungen. „Sie sind spekulativ und spiegeln die Fundamentaldaten absolut nicht wider“, sagte sie über die jüngsten Yen-Bewegungen. Die Regierung werde „angemessene Maßnahmen gegen exzessive Bewegungen“ ergreifen, betonte Katayama unter Berufung auf ein Abkommen mit den USA vom September. Dieses sieht marktbestimmte Wechselkurse vor, erlaubt aber Interventionen bei übermäßiger Volatilität.
Die Rhetorik zeigt Wirkung: Der Yen legte nach Katayamas Äußerungen leicht zu. Doch Marktbeobachter bleiben skeptisch. Matt Simpson von StoneX verweist auf die geringe Liquidität zwischen Weihnachten und Neujahr: „Wenn japanische Behörden intervenieren wollen, würde diese Zeit den größten Effekt bringen.“ Allerdings fehle diesmal die aggressive Volatilität von 2022, als Tokio tatsächlich am Devisenmarkt eingriff. Japan intervenierte bereits 2022 und 2024 zur Yen-Stützung – mit begrenztem Erfolg.
BOJ in der Zwickmühle
Die Notenbank steckt in einem Dilemma. Einerseits möchte sie die Zinsen normalisieren und die Jahrzehnte währende Niedrigzinspolitik beenden. Adachi erwartet den nächsten Zinsschritt für Juli 2026 und letztlich ein Zinsniveau von 1,5 Prozent. Andererseits könnten weitere Erhöhungen die Anleiherenditen noch stärker treiben und kleinere Banken in Schwierigkeiten bringen, die hohe Verluste bei ihren Anleihebeständen verzeichnen.
Der ehemalige BOJ-Politiker warnt: „Es ist schwer, die Zweifel des Marktes über Japans Finanzen auszuräumen, nachdem Takaichi ihre Politik so kraftvoll als proaktive Fiskalpolitik gebrandmarkt hat.“ Die Notenbank könnte gezwungen sein, ihren Plan zum Ausstieg aus Anleihekäufen zu überdenken, sollte der Ausverkauf am Anleihenmarkt anhalten. Ein solches Szenario würde die Glaubwürdigkeit der geldpolitischen Wende jedoch untergraben.
Globaler Dollar-Gegenwind bietet keine Erleichterung
Normalerweise würde die allgemeine Dollar-Schwäche dem Yen helfen. Der Dollar-Index ist im Dezember auf Kurs für einen Rückgang von 1,3 Prozent und verzeichnet für 2025 ein Minus von 9,5 Prozent – den stärksten Jahresverlust seit 2017. Die Federal Reserve hatte Anfang Dezember die Zinsen gesenkt und weitere Senkungen für 2026 projiziert, wobei Händler bereits zwei weitere Schritte einpreisen.
Doch ausgerechnet der Yen profitiert nicht von dieser Entwicklung. Charu Chanana von Saxo sieht die Ursache im langsamen BOJ-Zinszyklus kombiniert mit möglichen Fed-Lockerungen: „Die größte Gefahr besteht, wenn die USA länger höhere Zinsen behalten und die BOJ wieder vorsichtig wird.“ Entscheidende Katalysatoren werden die Shunto-Lohnverhandlungen sowie die US-Zinsentwicklung sein. Strategists bei MUFG glauben, dass der Dollar-Abwärtstrend mehrjährig anhalten könnte – doch davon scheint der Yen bislang entkoppelt.
Haushalte zahlen die Zeche
Die Yen-Schwäche wird zunehmend zum politischen Problem. Ein schwacher Yen verteuert Importpreise und heizt die Inflation an – was die Lebenshaltungskosten für japanische Haushalte in die Höhe treibt. Genau deshalb schnürte Takaichi ihr massives Entlastungspaket. Doch dieser Ansatz verschärft das fiskalische Dilemma nur weiter: Mehr Ausgaben bedeuten mehr Schulden, höhere Schulden erhöhen die Risikoprämien, und steigende Renditen schwächen den Yen zusätzlich.
Die Notenbank-Protokolle vom Mittwoch und Uedas Rede am ersten Weihnachtstag dürften weitere Hinweise auf den geldpolitischen Kurs liefern. Doch die fundamentale Frage bleibt: Kann Japan seinen Weg aus dieser Schuldenspirale finden, ohne die Währung völlig zu destabilisieren? Die Antwort darauf könnte über das Schicksal der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt entscheiden.
