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Fed-Zinssenkung: Märkte feiern vorsichtigen Kurs

Die US-Notenbank senkte die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte, signalisierte aber für 2026 nur eine weitere Senkung. Die Märkte reagierten positiv, da die Fed Arbeitsmarktrisiken betonte und interne Spannungen offenlegte.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte wie erwartet
  • Interne Spaltung im Fed-Rat bei Zinsprognosen
  • Fokus der Fed verschiebt sich auf Arbeitsmarktrisiken
  • Aktienmärkte und Anleihenkurse reagieren positiv

Die US-Notenbank hat am Mittwoch die Zinsen wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte gesenkt – doch die eigentliche Überraschung steckte im Detail. Während Fed-Chef Jerome Powell für 2026 nur noch eine weitere Senkung signalisierte, reagierten die Märkte zunächst nervös, dann aber zunehmend erleichtert. Der Grund: Powells Betonung der Arbeitsmarktrisiken nährte Hoffnungen, dass die Zinswende doch nicht vorbei ist.

Geteilte Meinungen im Fed-Rat

Die Abstimmung offenbarte tiefe Gräben innerhalb der Notenbank. Mit einem 9-3-Votum fiel die Entscheidung so kontrovers aus wie lange nicht. Während Chicago-Fed-Präsident Austan Goolsbee und sein Kollege Jeffrey Schmid aus Kansas City für einen Zinsstopp plädierten, forderte Fed-Gouverneur Stephen Miran – der als Trump-Mann gilt – sogar eine deutliche Senkung um 0,5 Prozentpunkte. Die Spannungen spiegeln wider, was viele Analysten schon länger beobachten: Der einst so konsensorientierte Powell verliert die Kontrolle über sein Gremium.

Besonders aufschlussreich ist ein Blick auf die berühmten Zinsprognosen, die sogenannten „Dots“. Sieben Notenbanker wollen 2026 die Zinsen gar nicht mehr senken, acht andere hingegen mindestens zweimal. Diese ungewöhnliche Spreizung zeigt: Die Fed tappt im Nebel – und weiß es selbst.

Arbeitsmarkt statt Inflation im Fokus

„Die Schwäche am Arbeitsmarkt scheint im Moment mehr Sorgen zu bereiten als die hartnäckige Inflation“, analysiert Jake Dollarhide, Chef von Longbow Asset Management. Tatsächlich strich die Fed in ihrer Erklärung den Passus, wonach die Arbeitslosenquote „niedrig geblieben“ sei. Ein scheinbar kleines Detail mit großer Wirkung: Die Notenbank signalisiert damit, dass sie demografische Verschiebungen und Migrationseffekte neu bewertet – und die absolute Höhe der Arbeitslosigkeit weniger wichtig wird als deren Veränderungsrate.

Powell selbst betonte in der Pressekonferenz, man wolle die Jobmärkte nicht durch eine zu straffe Geldpolitik unter Druck setzen. Das beruhigte die Anleger, die zuvor befürchtet hatten, die „Bond Vigilantes“ – jene gefürchteten Anleihen-Investoren, die mit Verkäufen Regierungen unter Druck setzen – könnten die Rallye an den Aktienmärkten abwürgen.

Märkte zwischen Skepsis und Optimismus

Die Reaktionen fielen zunächst verhalten aus, drehten dann aber ins Positive. Der S&P 500 kletterte um 0,67 Prozent auf 6.886 Punkte, der Dow Jones gewann sogar über 1 Prozent. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen fiel um 4,3 Basispunkte auf 4,14 Prozent – und beendete damit eine viertägige Aufwärtsserie. Der Dollar geriet unter Druck, besonders gegenüber dem Schweizer Franken (-0,8 Prozent) und dem Yen (-0,6 Prozent).

„Das war Musik in den Ohren der Anleger“, jubelte Dollarhide. „Die Aussicht auf immerhin eine Zinssenkung 2026 ist besser als die düsteren Prognosen, wonach es gar keine geben würde.“ Interessant: Obwohl die Fed selbst nur einen Schritt signalisierte, preisen die Terminmärkte weiterhin zwei Senkungen ein. Diese Diskrepanz könnte zum Streitpunkt werden – oder der Fed weiteren Spielraum verschaffen.

Globale Nebenwirkungen und Schweizer Sonderfall

Während Washington seine Zinspolitik justiert, sorgen anderswo ganz andere Themen für Unruhe. In Japan bezeichneten Unternehmen in einer Reuters-Umfrage die angespannten Beziehungen zu China als größtes Risiko für 2026 – noch vor den US-Handelspolitiken. Die Drohung von Premierministerin Sanae Takaichi, Japan würde im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan militärisch reagieren, verschärfte die Spannungen dramatisch.

Ein positives Signal kam unterdessen aus der Schweiz: Die USA werden ihre Zölle auf Schweizer Waren rückwirkend zum 14. November von 39 auf 15 Prozent senken. Für Unternehmen wie Victorinox, den Hersteller der legendären Schweizer Armeemesser, bedeutet das erhebliche Erleichterung. „Das schafft einen deutlich besser handhabbaren Rahmen für unsere Exporte“, kommentierte CEO Carl Elsener. Schweizer Ökonomen erwarten dadurch ein zusätzliches Wachstum von 0,3 bis 0,5 Prozentpunkten im kommenden Jahr.

Was bedeutet das für Anleger?

Die Fed signalisiert trotz der Zinssenkung eine Atempause – und das dürfte Konsequenzen haben. „Wenn die einzige Möglichkeit für weitere Zinssenkungen eine deutliche Konjunkturabschwächung ist, will man dann wirklich Aktien besitzen?“, fragt Chris Grisanti von MAI Capital Management skeptisch. Seine Antwort: Defensive Sektoren wie Gesundheit werden attraktiver, weil sie niedrig bewertet sind und auch in schwächelnden Märkten stabile Cashflows liefern.

Für Kreditnehmer bringt die Zinssenkung bescheidene, aber spürbare Entlastung. Die durchschnittliche Kreditkartenrate liegt bei 23,96 Prozent – immer noch astronomisch hoch, aber immerhin fast einen Prozentpunkt unter dem Rekord von 24,92 Prozent. Bei einer durchschnittlichen Kreditkartenschuld von knapp 11.000 Dollar pro Haushalt summieren sich die drei Zinssenkungen dieses Jahres auf eine Ersparnis von rund 2 Milliarden Dollar an Zinszahlungen über die nächsten zwölf Monate.

Sparer hingegen müssen weiter leiden. Während normale Bankkonten mickrige 0,61 Prozent Zinsen zahlen, bieten Top-Online-Konten noch über 4 Prozent. Langfristig orientierte Anleger sollten laut Experten auf Festgeldkonten oder Multi-Year-Guaranteed-Annuities setzen – vorausgesetzt, sie brauchen das Geld mehrere Jahre nicht.

Technische Maßnahmen im Hintergrund

Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit kündigte die Fed an, ab dem 12. Dezember wieder kurzlaufende Staatsanleihen zu kaufen – zunächst im Volumen von rund 40 Milliarden Dollar. Diese technisch anmutende Maßnahme hat es in sich: Nach Jahren der „quantitativen Straffung“, bei der die Fed ihre Bilanz von 9 auf 6,6 Billionen Dollar zusammengestaucht hatte, wächst sie nun wieder.

Der Grund: Die Liquidität an den Geldmärkten war zu knapp geworden. Wichtige Zinssätze drifteten nach oben, einige Institute zapften massiv die Standing-Repo-Fazilität der Fed an – ein Warnsignal, dass die Kontrolle über den Leitzins zu entgleiten drohte. Mit den neuen Käufen will die Fed die Märkte über den Jahreswechsel stabilisieren, wenn traditionell erhöhte Volatilität droht.

Ausblick: Abwarten und Tee trinken

Powell machte deutlich: Die Fed hat es nicht eilig. Die jüngste Zinssenkung verschafft ihr die Flexibilität, erst einmal abzuwarten. „Ich möchte diesen Job in wirklich guter Verfassung übergeben“, sagte der scheidende Fed-Chef, dessen Amtszeit im Mai endet. Die Inflation soll unter Kontrolle sein, der Arbeitsmarkt stark.

Die Projektionen der Notenbanker zeichnen für 2026 ein rosiges Bild: Die Inflation soll auf 2,4 Prozent fallen, das Wirtschaftswachstum auf 2,3 Prozent anziehen – getragen von Produktivitätsgewinnen durch künstliche Intelligenz. Die Arbeitslosenquote soll bei moderaten 4,4 Prozent bleiben. Das wäre tatsächlich eine „weiche Landung“, von der Ökonomen so lange geträumt haben.

Doch Vorsicht: Diese Prognosen basieren auf veralteten Daten. Die 43-tägige Schließung der US-Regierungsbehörden hat zu massiven Datenlücken geführt. Der November-Arbeitsmarktbericht wird erst am 16. Dezember veröffentlicht, Inflationsdaten folgen noch später. Die Fed navigiert im Blindflug – und weiß, dass ihre nächsten Schritte von Zahlen abhängen werden, die sie heute noch nicht kennt.

Für Anleger heißt das: Die Ruhe vor dem Sturm könnte täuschen. Und die traditionelle Jahresendrallye, auf die viele hoffen, steht auf wackligen Beinen.

Andreas Sommer

Mit über 40 Jahren Erfahrung im Bankwesen und Börsenjournalismus gehöre ich zu den etablierten Analysten im deutschsprachigen Raum. Nach mehr als zehn Jahren als Wertpapierberater bei der Deutschen Bank spezialisierte ich mich seit dem Börsencrash 1987 auf technische Analyse und charttechnische Methoden.

Als ehemaliger Chefredakteur mehrerer Börsenpublikationen entwickelte ich den "Aktienführer Neuer Markt" mit und führe heute einen Börsendienst, der sich auf wachstumsstarke Unternehmen fokussiert. Mein wöchentliches Markt-Barometer analysiert systematisch DAX, Dow Jones, Ölpreis, Währungen und Marktstimmung, um präzise Orientierung zu bieten.

Die Ergebnisse sprechen für sich: Leser meines Börsendienstes erzielten über zwei Jahrzehnte einen durchschnittlichen Depotzuwachs von +576%. Meine rechtzeitigen Warnungen vor dem Crash 2008 halfen vielen Anlegern, Verluste zu minimieren.

Heute teile ich meine Expertise durch den Newsletter "Chartanalyse-Trends", den Börsendienst "Momentum Trader", Vorträge auf Messen wie der Invest Stuttgart sowie YouTube-Videos. Mein "Timing is Money"-Ansatz identifiziert optimale Ein- und Ausstiegszeitpunkte für Aktien, Gold, Kryptowährungen und weitere Anlageklassen.