Die US-Notenbank hat zum dritten Mal in diesem Jahr die Zinsen gesenkt – doch die Reaktionen fielen gemischt aus. Während Fed-Chef Jerome Powell überraschend ausgewogen auftrat, erschütterte Oracle mit enttäuschenden Geschäftszahlen die Tech-Branche. Der Dollar geriet unter Druck, während Investoren für 2026 bereits zwei weitere Zinssenkungen einpreisen.
Fed überrascht mit moderatem Ton
Die Federal Reserve senkte ihre Leitzinsen am Mittwoch erwartungsgemäß um 25 Basispunkte auf eine Spanne von 3,50 bis 3,75 Prozent. Die dritte Zinssenkung seit September markiert allerdings möglicherweise das Ende des aktuellen Lockerungszyklus – zumindest vorerst. Powell signalisierte in seiner Pressekonferenz jedoch eine weniger aggressive Haltung als befürchtet: „Eine Zinserhöhung ist niemandes Basisszenario“, erklärte der Notenbankchef.
Diese Aussage überraschte die Märkte. Viele Analysten hatten einen deutlich restriktiveren Ton erwartet, ähnlich der Oktober-Sitzung. Stattdessen sorgte Powells Botschaft für Erleichterung an den Finanzmärkten. Der S&P 500 kletterte um 0,67 Prozent auf 6.886,68 Punkte, während der Dow Jones Industrial Average um 1,05 Prozent auf 48.057,75 Zähler zulegte.
Die Fed-Projektionen zeigten allerdings tiefe Spaltungen unter den Notenbankern. Die mittlere Erwartung deutet lediglich auf eine weitere Zinssenkung im kommenden Jahr hin – unverändert gegenüber der September-Prognose. Doch die Märkte sehen das anders: Zinsfutures preisen für 2026 bereits rund 54 Basispunkte an Zinssenkungen ein, was zwei vollständigen Reduktionen entspricht.
Oracle-Schock erschüttert Tech-Sektor
Der vermeintlich positive Nachrichtenfluss von der Fed wurde jedoch schnell von enttäuschenden Unternehmensnachrichten überschattet. Oracle, ein wichtiger Gradmesser für die KI-Euphorie, brach nach Börsenschluss um mehr als 11 Prozent ein. Der Cloud-Computing-Riese verfehlte mit seiner Prognose für Umsatz und Gewinn die Erwartungen der Wall Street deutlich.
Besonders alarmierend: Oracle kündigte an, die Ausgaben um 15 Milliarden Dollar gegenüber früheren Schätzungen zu erhöhen. Die Botschaft ist klar – die massiven Investitionen in KI-Infrastruktur verwandeln sich nicht so schnell in Gewinne, wie Investoren gehofft hatten. Für das laufende Quartal rechnet Oracle mit einem bereinigten Gewinn von 1,64 bis 1,68 Dollar je Aktie – Analysten hatten 1,72 Dollar erwartet. Das Umsatzwachstum soll 16 bis 18 Prozent betragen, deutlich unter den prognostizierten 19,4 Prozent.
Die Oracle-Zahlen wirken wie ein Realitätscheck für den gesamten Tech-Sektor. In Tokio gerieten KI-bezogene Aktien unter Druck, SoftBank verlor am Donnerstagmorgen fünf Prozent. US-Futures drehten ins Minus, S&P 500-Kontrakte fielen um 0,3 Prozent, Nasdaq-100-Futures sogar um 0,5 Prozent. Anleger fragen sich zunehmend: Wann amortisieren sich die astronomischen KI-Investitionen?
Dollar auf Talfahrt – Euro steigt
Während Tech-Werte schwächelten, geriet der Dollar deutlich unter Druck. Powells überraschend moderate Rhetorik ließ die US-Währung auf ein Sieben-Wochen-Tief abstürzen. Der Dollar-Index, der die Währung gegen einen Korb internationaler Pendants misst, fiel auf 98,543 – den niedrigsten Stand seit dem 21. Oktober.
Der Euro profitierte besonders und durchbrach die wichtige Marke von 1,17 Dollar, zeitweise notierte er bei 1,1707 Dollar – ein Zwei-Monats-Hoch. Auch das britische Pfund kletterte auf 1,3391 Dollar, den höchsten Stand seit sechs Wochen. Selbst der japanische Yen, der zuletzt unter anhaltenden Zinsdifferenzen gelitten hatte, erholte sich auf 155,66 je Dollar.
„Die große Erkenntnis war eine dovische Tendenz in der Begleitkommentierung und bei Powells Pressekonferenz“, erklärte Nick Rees von Monex Europe. Die Fed kündigte zudem überraschend an, ab Freitag kurzfristige Staatsanleihen im Volumen von rund 40 Milliarden Dollar zu kaufen, um die Marktliquidität zu stützen. Diese Maßnahme verstärkte die Anleihe-Rally zusätzlich.
Globale Notenbanken im Fokus
Während die Fed-Entscheidung die Märkte noch verdaut, richtet sich der Blick bereits auf andere Zentralbanken. Am Donnerstag trifft sich die Schweizer Nationalbank, wo ebenfalls eine Zinsentscheidung ansteht. Doch noch spannender wird die Bank of Japan: Eine Reuters-Umfrage unter 70 Ökonomen zeigt, dass 90 Prozent eine Zinserhöhung auf 0,75 Prozent bei der Sitzung am 18./19. Dezember erwarten.
Zwei Drittel der befragten Experten rechnen sogar damit, dass die japanischen Zinsen bis Ende September 2026 auf mindestens 1,00 Prozent steigen werden. „Der aktuelle Leitzins liegt vermutlich unter dem neutralen Niveau, daher wird die BoJ wahrscheinlich ihren Straffungskurs beibehalten“, sagte Yasunari Tanaka vom Mitsubishi Research Institute.
Interessant wird auch die Lohnentwicklung in Japan: Die Frühjahrslohnrunde 2025 gilt als entscheidender Indikator für weitere Zinsschritte. Allerdings glauben nur 32 Prozent der Ökonomen, dass die Lohnsteigerungen die diesjährigen 5,25 Prozent übertreffen werden. Der Median liegt bei 5,0 Prozent – Trump-Zölle und die schwächelnden Beziehungen zu China belasten die Unternehmensstimmung.
Europa lockert weiter
Auch die Europäische Zentralbank beschäftigt sich mit dem regulatorischen Rahmen. Die EZB-Führung hat Empfehlungen einer hochrangigen Task Force zur Vereinfachung des europäischen Bankensystems gebilligt. Vizepräsident Luis de Guindos präsentierte Vorschläge, die 2026 in den Bericht der EU-Kommission einfließen sollen.
Kernpunkte sind die Reduzierung der Kapitalanforderungen, ein vereinfachtes Regime für kleinere Banken und eine stärkere Harmonisierung der Aufsichtspraktiken. Die Task Force betont: Vereinfachung bedeutet keine Deregulierung. Vielmehr soll die Widerstandsfähigkeit erhalten bleiben, während gleichzeitig die europäische Integration gefördert wird.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde äußerte sich zudem optimistisch über die europäische Wirtschaftsentwicklung und hielt eine weitere Aufwärtsrevision der Wachstumsprognosen für möglich. Diese Aussage half dem Euro zusätzlich auf die Sprünge.
Politische Unsicherheit belastet
Jenseits von Zinsen und Unternehmensgewinnen sorgen politische Entwicklungen für Bewegung. Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete ein massives Verteidigungsbudget von 901 Milliarden Dollar für das Haushaltsjahr 2026 – acht Milliarden mehr als ursprünglich vom Präsidenten gefordert. Das Gesetz enthält auch 400 Millionen Dollar jährliche Militärhilfe für die Ukraine über zwei Jahre.
In einem unerwarteten Schachzug forderte Präsident Trump, dass CNN im Rahmen jedes Deals um Warner Bros Discovery verkauft werden müsse. Die Äußerung kam, nachdem Paramount ein feindliches 77,9-Milliarden-Dollar-Gebot für Warner vorgelegt hatte. „Es ist zwingend erforderlich, dass CNN verkauft wird“, erklärte Trump vor Reportern im Weißen Haus.
Analysten spekulieren bereits über Trumps nächsten Fed-Chef. Favorit ist offenbar sein Wirtschaftsberater Kevin Hassett, dessen Amtsantritt nach Powells Ausscheiden im Mai erfolgen könnte. Hassett gilt als Befürworter aggressiver Zinssenkungen – ganz im Sinne des Präsidenten. „Mit den bevorstehenden Veränderungen und dem abkühlenden Arbeitsmarkt sind die Risiken eher in Richtung weiterer Zinssenkungen verschoben“, meinen Analysten von ING.
Rohstoffe profitieren von Spannungen
Am Ölmarkt stiegen die Preise den zweiten Tag in Folge, nachdem die USA vor der Küste Venezuelas einen sanktionierten Öltanker beschlagnahmt hatten. Die Aktion eskaliert die Spannungen und schürt Sorgen über Angebotsunterbrechungen. Brent-Öl kletterte um mehr als 30 Cent auf 62,53 Dollar je Barrel, US-Rohöl notierte bei 58,85 Dollar.
Der nächste wichtige Katalysator für die Märkte dürfte der US-Arbeitsmarktbericht vom 16. Dezember sein. Sollten die Zahlen schwach ausfallen, könnte dies die Erwartungen für zwei weitere Zinssenkungen im kommenden Jahr zementieren. „Saisonal tendiert der Dollar dazu, zum Jahresende zu schwächeln. Mit dem Fed-Risiko nun vom Tisch könnte EUR/USD seinen Lauf in Richtung 1,18 Dollar doch noch schaffen“, prognostizieren ING-Analysten.
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Märkte recht behalten mit ihrer optimistischen Zinsprognose – oder ob Inflation und Wachstumsdynamik die Fed zu einem härteren Kurs zwingen. Einstweilen bleibt die Unsicherheit hoch, während Oracle als mahnendes Beispiel zeigt: Nicht alle KI-Träume werden sich in Gewinne verwandeln.
