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Fed-Sitzung elektrisiert Märkte weltweit

Die erwartete Zinssenkung der US-Notenbank sorgt für Nervosität an den Märkten, während Hedgefonds von der Volatilität profitieren und der starke Euro die EZB herausfordert.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Fed-Entscheidung mit 89% Wahrscheinlichkeit für Zinssenkung eingepreist
  • Hedgefonds profitieren von steigender Marktvolatilität
  • Bitcoin-Korrelation zu Aktienmärkten auf Rekordniveau
  • Starker Euro könnte EZB zu weiteren Lockerungen zwingen

Die Finanzmärkte halten den Atem an: Am Mittwoch steht die mit Spannung erwartete Zinsentscheidung der US-Notenbank Federal Reserve an – und Investoren weltweit positionieren sich für eine der kontroversesten geldpolitischen Entscheidungen seit Jahren. Während eine Zinssenkung um 25 Basispunkte mit 89-prozentiger Wahrscheinlichkeit eingepreist ist, konzentriert sich die Aufmerksamkeit längst auf die strategischen Signale von Fed-Chef Jerome Powell und den sogenannten Dot Plot, der die Zinserwartungen für 2026 abbildet. Die Märkte preisen derzeit zwei weitere Zinssenkungen ein – insgesamt 77 Basispunkte Lockerung bis Ende 2026.

Doch die Unsicherheit geht tiefer. Kevin Hassett, Wirtschaftsberater im Weißen Haus und Topkandidat für Powells Nachfolge, plädiert öffentlich für weitere Zinssenkungen – ein ungewöhnlicher politischer Eingriff, der die ohnehin komplexe Gemengelage weiter verkompliziert. „Willkommen am Fast-Fed-Tag“, bringen es Marktbeobachter auf den Punkt. Die Stimmung ist angespannt, die US-Futures bewegen sich kaum von der Nulllinie, während die Treasury-Renditen klettern – ein klassisches Zeichen für Vorsicht vor großen Entscheidungen.

Volatilität als Geschäftsmodell

Genau diese Nervosität ist Musik in den Ohren professioneller Investoren. „Mit Schmerz kommt Gelegenheit“, fasst Shiv Srinivasan, Chefanleger des staatlich gestützten Abu Dhabi Investment Council, die Stimmung auf der Abu Dhabi Finance Week zusammen. Sein Hedgefonds-Portfolio liegt dieses Jahr bereits 13 Prozent im Plus – maßgeblich dank makroökonomischer Strategien und Trendfolge-Fonds, die von steigender Marktvolatilität profitieren.

Die Chefs führender Hedgefonds-Gesellschaften wie Man Group und Brevan Howard teilen diese Einschätzung. „Ja, wir mögen ein bisschen Volatilität. Ja, wir mögen ein bisschen Dispersion“, erklärt Robyn Grew, CEO der 214 Milliarden Dollar schweren Man Group unverblümt. Aron Landy von Brevan Howard, das über 30 Milliarden Dollar verwaltet, sieht vor allem in divergierenden Zinssätzen weltweit und im Kryptobereich große Chancen: „Das größte Risiko bei Krypto ist es, überhaupt kein Exposure zu haben.“

Diese Strategie erinnert an 2022, als Aktienmärkte über 20 Prozent einbrachen, während Trend- und Makro-Fonds teils über 40 Prozent Rendite erzielten. CTAs – systematische Trendfolger, die kleine Positionen in vielen Anlageklassen nehmen – erweisen sich in turbulenten Zeiten als besonders profitabel.

Bitcoin im Würgegriff der Risikoaversion

Die wachsende Korrelation zwischen Bitcoin und traditionellen Risikoanlagen zeigt sich nirgends deutlicher als in den vergangenen Wochen. Die weltgrößte Kryptowährung, die bei rund 89.000 Dollar notiert, droht erstmals seit 2022 ein Verlustjahr hinzulegen – trotz zwischenzeitlicher Rekordstände über 126.000 Dollar im Oktober.

„Krypto reagiert auf breitere Aktienmärkte – das war 2025 ein durchgängiges Thema“, erklärt Jasper De Maere von Wintermute. Die durchschnittliche Korrelation zwischen Bitcoin und dem S&P 500 stieg auf 0,5 – nahezu doppelt so hoch wie 2024. Zum technologielastigen Nasdaq 100 kletterte die Korrelation sogar auf 0,52, verglichen mit 0,23 im Vorjahr.

Besonders brutal traf es den Kryptomarkt am 10. Oktober, als Trump neue China-Zölle ankündigte: Über 19 Milliarden Dollar an gehebelten Positionen wurden liquidiert – die größte Liquidation in der Krypto-Geschichte. Seitdem kämpft Bitcoin um Stabilität, während Options-Händler dem Token eine 15-prozentige Chance zurechnen, das Jahr unter 80.000 Dollar zu beenden.

Ein bemerkenswerter Stimmungswandel: Michael Saylors Strategy, der weltgrößte Bitcoin-Horter, hatte noch Ende Oktober 150.000 Dollar prognostiziert. Jetzt warnt CEO Phong Le vor einem „Bitcoin-Winter“. Trump allerdings sorgte für kurzzeitigen Optimismus: Nvidia darf seine zweitstärksten H200-Prozessoren künftig nach China exportieren – mit 25 Prozent Gebühr für die USA. Die Aktie legte nachbörslich zu.

Taiwans Chip-Boom trotzt geopolitischen Spannungen

Während die Unsicherheit an den Finanzmärkten wächst, liefert Taiwan spektakuläre Wirtschaftsdaten: Die Exporte schossen im November um 56 Prozent nach oben – das stärkste Wachstum seit 15,5 Jahren. Mit 64,05 Milliarden Dollar markierten die Ausfuhren einen neuen Rekord in absoluten Zahlen und übertrafen die Prognosen bei weitem.

Der Treiber ist klar: künstliche Intelligenz. Taiwans Chipgigant TSMC beliefert Nvidia, Apple und andere Tech-Schwergewichte – die globale Nachfrage nach Halbleitern und KI-Technologie bleibt trotz geopolitischer Risiken robust. Besonders bemerkenswert: Taiwans Exporte in die USA explodierten um 182,3 Prozent auf den Rekordwert von 24,4 Milliarden Dollar, während Lieferungen nach China um 16,5 Prozent zulegten.

Das Finanzministerium erwartet für Dezember ein weiteres Plus zwischen 40 und 45 Prozent und prognostiziert für 2025 ein Gesamtwachstum von 30 Prozent auf 600 Milliarden Dollar. Dies geschieht, obwohl Taiwans Exporte in die USA einem 20-prozentigen Zoll unterliegen – allerdings sind Halbleiter derzeit ausgenommen, was Taipeh in Verhandlungen zu halten versucht.

Euros versteckte Stärke bedroht EZB-Kurs

Während alle Augen auf die Fed gerichtet sind, könnte eine unterschätzte Dynamik die Europäische Zentralbank zu überraschenden Schritten zwingen: Der Euro handelt bei rund 1,166 Dollar und verzeichnet mit einem Plus von fast 13 Prozent das stärkste Jahr seit 2017. Doch die wahre Stärke verbirgt sich im handelsgewichteten realen Wechselkurs der EZB – bereinigt um Inflation erreichte er im September mit 98,68 den höchsten Stand seit Mai 2014.

„Der Euro ist deutlich teurer, als es auf den ersten Blick scheint“, warnt Themos Fiotakis von Barclays. Unter Einberechnung der US-Zölle läge der faire Wert eher bei 1,28 Dollar. Besonders problematisch: Der chinesische Yuan fiel im Offshore-Markt um sieben Prozent – China ist Europas größter Handelspartner mit einem Defizit von 33 Milliarden Euro allein im September.

Goldman Sachs lieferte kürzlich das größte Upgrade für Chinas Wachstumsausblick seit einem Jahrzehnt – mit der Warnung, Pekings Strategie billiger Exportoffensiven könnte besonders Europa deflationären Druck bescheren. „Wenn der handelsgewichtete Euro von hier aus scharf um etwa fünf Prozent aufwertet, könnte das durchaus weitere geldpolitische Lockerungen auslösen“, erklärt Simon Wells, Chefökonom Europa bei HSBC.

EZB-Vize Luis de Guindos hatte im Juli erklärt, die Notenbank könne eine Aufwertung bis 1,20 Dollar ignorieren – darüber werde es „deutlich komplizierter“. Händler sehen die EZB zwar bis mindestens März 2027 im Haltemodus, doch die Preise schwankten mit jeder neuen Zoll-Meldung. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB zwischen jetzt und nächstem Sommer ein- oder zweimal senkt, ist immer noch ziemlich hoch“, sagt Carsten Brzeski von ING. „Die China-Story könnte der entscheidende Faktor sein.“

Das Kalkül ist einfach: Niedrigere Zinsen und ein schwächerer Dollar gehen Hand in Hand. Erwartet die Fed tatsächlich eine Serie von Zinssenkungen 2026, könnte dies den Dollar belasten und den Euro weiter stärken – ein sich selbst verstärkender Kreislauf mit deflationärem Potenzial für Europa. Kein Wunder also, dass EZB-Offizielle wie Martin Kazaks Wechselkurse und chinesische Handelsströme inzwischen als Schlüsselrisiken für den geldpolitischen Ausblick bezeichnen.

Eduard Altmann

Eduard Altmann ist Finanzexperte mit über 25 Jahren Erfahrung an den globalen Finanzmärkten. Als Analyst und Autor beim VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft spezialisiert er sich auf Aktienmärkte, Gold, Silber, Rohstoffe und den Euro.

Altmann ist überzeugter Verfechter des Value-Investing und identifiziert unterbewertete Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial. Sein Börsendienst "Megatrend-Depot" vermittelt praxisnahe Strategien erfolgreicher Value-Investoren. Mit seinem Motto "Manage dein Vermögen selbst" inspiriert er Anleger zur eigenverantwortlichen Vermögensverwaltung.

Seine Analysen basieren auf der fortschrittlichen Gann-Strategie, die präzise Vorhersagen für Rohstoffmärkte ermöglicht. Diese technische Analysemethode kombiniert historische Daten mit Zyklusanalysen und macht seine Marktprognosen besonders treffsicher.

Durch zahlreiche Publikationen und verständliche Erklärungen komplexer Finanzthemen unterstützt Altmann sowohl Einsteiger als auch erfahrene Investoren bei fundierten Anlageentscheidungen. Seine Arbeit verbindet theoretische Expertise mit praktischen Empfehlungen für den strategischen Vermögensaufbau.