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Fed-Politik spaltet Märkte: Zinsturbulenzen voraus

Die US-Notenbank zögert bei Zinssenkungen trotz sinkender Inflation, während Handelsspannungen und Stagflation Ängste schüren. Märkte reagieren gespalten.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Fed-Chef Powell warnt vor zollbedingter Inflation
  • JPMorgan senkt US-Wachstumsprognose deutlich
  • Japanische Exporte leiden unter neuen US-Zöllen
  • Indische Zentralbank überrascht mit Zinssenkung

Die US-Geldpolitik wird zum Dreh- und Angelpunkt globaler Finanzmarktentscheidungen. Fed-Chef Jerome Powell steht vor dem Senat und muss erklären, warum die amerikanische Notenbank trotz sinkender Inflationsraten weiterhin zögerlich bei Zinssenkungen agiert – während gleichzeitig die Handelspolitik der Trump-Administration neue Unwägbarkeiten schafft.

Zinsphantasie trifft auf Realität

Powell machte gestern vor dem Repräsentantenhaus deutlich: Die Fed rechnet ab diesem Sommer mit steigenden Preisen durch höhere Importzölle. "Wir sollten das über den Sommer sehen, in den Juni- und Juli-Zahlen", erklärte der Notenbankchef. Diese Erwartung bremst die Zinssenkungsphantasien der Märkte erheblich.

Aktuell preisen Investoren lediglich eine 19-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im Juli ein. Für September steigen die Chancen auf 71 Prozent. Die Fed hält ihren Leitzins seit Dezember unverändert in der Spanne von 4,25 bis 4,5 Prozent – trotz massiver Forderungen von Präsident Trump nach sofortigen und drastischen Zinssenkungen.

Besonders bemerkenswert: Unter den Fed-Verantwortlichen herrscht Uneinigkeit. Sieben der 19 Entscheidungsträger sehen überhaupt keine Zinssenkungen in diesem Jahr, während zehn mindestens zwei Reduzierungen erwarten. Diese Spaltung spiegelt die Unsicherheit über die tatsächlichen Auswirkungen der Handelspolitik wider.

Stagflation-Gespenst kehrt zurück

JPMorgan warnt vor einer gefährlichen Entwicklung: Die Bank sieht eine 40-prozentige Rezessionswahrscheinlichkeit für die zweite Jahreshälfte und senkte ihre US-Wachstumsprognose von 2,0 auf 1,3 Prozent. "Der stagflationäre Impuls durch höhere Zölle war der Grund für unsere gesenkte Wachstumsprognose", erklären die Analysten.

Stagflation – die gefürchtete Kombination aus schwachem Wachstum und hartnäckiger Inflation – quälte die USA bereits in den 1970er Jahren. JPMorgan erwartet, dass die Fed erst zwischen Dezember und Frühjahr 2026 die Zinsen um 100 Basispunkte senken wird – deutlich später als die Märkte hoffen.

Trotz der düsteren Wirtschaftsaussichten bleibt die Bank optimistisch für US-Aktien, gestützt durch Tech-Giganten und KI-Innovationen. "Abgesehen von größeren politischen oder geopolitischen Überraschungen glauben wir, dass der Weg zu neuen Höchstständen durch starke Tech/KI-Fundamentaldaten unterstützt wird."

Globale Handelsspannungen eskalieren

Die Auswirkungen der US-Handelspolitik zeigen sich bereits jetzt. Japan erwägt eine Senkung seiner Wachstumsprognose von 1,2 auf unter 1,0 Prozent, da das Land ab Juli 9 mit 24-prozentigen Zöllen auf Exporte und 25 Prozent auf Autos rechnen muss. Toyota und andere japanische Autokonzerne spüren bereits die Auswirkungen – die Exporte fielen im Mai erstmals seit acht Monaten.

Pakistan verhandelt unterdessen intensiv mit Washington, um die drohenden 29-prozentigen Zölle abzuwenden. Als Gegenleistung bietet Islamabad mehr US-Importe und Investitionsmöglichkeiten im Bergbau, einschließlich des 7-Milliarden-Dollar-Projekts Reko Diq.

Märkte zwischen Hoffnung und Realität

Die Finanzmärkte zeigen sich zwiespältig: Während die Entspannung im Nahen Osten nach der Waffenruhe zwischen Israel und Iran für Erleichterung sorgte, konzentrieren sich Anleger wieder auf die Wirtschaftsdaten. Der Ölpreis fiel um bis zu 14,58 Dollar, was die Inflationssorgen zunächst dämpfte.

Europäische Aktien gaben nach einer anfänglichen Erholung nach, der Stoxx 600 verlor 0,3 Prozent. Der Dollar schwächelte weiter gegenüber dem Euro, der sich auf einem Vier-Jahres-Hoch bei 1,16 Dollar etablierte.

Divergierende Zentralbankpolitik

Während die Fed zögert, gehen andere Notenbanken bereits voran. Indiens Zentralbank überraschte mit einer 50-Basispunkte-Senkung und reduzierte zusätzlich die Mindestreserven für Banken. Die RBI betonte die Widerstandsfähigkeit der indischen Wirtschaft trotz globaler Unsicherheiten.

Diese politischen Unterschiede verstärken die Währungsturbulenzen: JPMorgan erwartet eine weitere Dollar-Schwäche, da andere Länder wachstumsfreundlichere Politiken verfolgen. Die Nachfrage nach US-Treasuries könnte ebenfalls nachlassen, was die Risikoprämien um 40-50 Basispunkte nach oben treiben könnte.

Die kommenden Wochen werden entscheidend: Am Donnerstag veröffentlicht das Handelsministerium finale BIP-Daten, am Freitag folgen die PCE-Inflationszahlen. Diese Daten werden zeigen, ob die Fed-Sorgen über zollgetriebene Inflation berechtigt sind – oder ob die Märkte zu pessimistisch reagieren.

Felix Baarz

Felix Baarz ist Wirtschaftsjournalist mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Berichterstattung über internationale Finanzmärkte. Als gebürtiger Kölner begann er seine Laufbahn bei einer deutschen Fachpublikation, bevor er für sechs Jahre nach New York zog.

In New York berichtete er direkt aus dem Zentrum der globalen Finanzwelt über Entwicklungen an der Wall Street und wirtschaftspolitische Entscheidungen von internationaler Tragweite. Diese Zeit prägte seine analytische Herangehensweise an komplexe Wirtschaftsthemen.

Heute arbeitet Baarz als freier Journalist für führende deutschsprachige Wirtschafts- und Finanzmedien. Seine Schwerpunkte liegen auf der fundierten Analyse globaler Finanzmärkte und der verständlichen Aufbereitung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge. Neben seiner schriftlichen Arbeit moderiert er Fachdiskussionen und nimmt an Expertenrunden teil.

Sein journalistischer Ansatz kombiniert tiefgreifende Recherche mit präziser Analyse, um Lesern Orientierung in einer sich wandelnden Wirtschaftswelt zu bieten.