Die europäische Wirtschaft steht vor einer kritischen Bewährungsprobe. Während US-Präsident Donald Trump mit seiner aggressiven Zollpolitik die globalen Handelsströme durcheinanderwirbelt, zeigen sich erste Risse im europäischen Fundament. Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus der Eurozone zeichnen ein gemischtes Bild zwischen vorsichtiger Stabilisierung und strukturellen Herausforderungen.
Trumps Zolloffensive trifft Europa hart
Mit seinem jüngsten Schachzug hat Trump die Spielregeln des Welthandels neu definiert. Ein 15-prozentiger Zoll auf die meisten europäischen Exporte – das Ergebnis eines "Rahmenabkommens" zwischen den USA und der EU – stellt für die exportabhängige europäische Wirtschaft eine massive Belastung dar. Obwohl diese Sätze niedriger ausfallen als ursprünglich befürchtet, handelt es sich um die höchsten Zölle seit den 1930er Jahren.
Die Auswirkungen sind bereits spürbar: Japanische Automobilhersteller haben ihre Exportpreise um rund 20 Prozent gesenkt, um die höheren Zollkosten zu kompensieren, anstatt sie an die Verbraucher weiterzugeben. Diese Strategie der Gewinnmargen-Opferung dürfte auch europäische Unternehmen unter enormen Druck setzen.
Produzierende Industrie sucht den Boden
Paradoxerweise zeigen die aktuellen Einkaufsmanager-Indizes aus der Eurozone durchaus ermutigende Signale. Der zusammengefasste Eurozone-PMI für das verarbeitende Gewerbe stieg im Juli auf 49,8 Punkte – den höchsten Stand seit Juli 2021. Nur 0,2 Punkte trennen die Region noch von der Wachstumszone oberhalb der 50-Punkte-Marke.
Besonders auffällig: Spanien führt mit einem PMI von 51,9 das Wachstum an und verzeichnete die stärkste Expansion des Jahres. Auch die Niederlande bewegten sich mit demselben Wert in positives Terrain. Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, erreichte mit 49,1 zwar den höchsten Wert seit 35 Monaten, verharrt aber weiterhin im Kontraktionsbereich.
Frankreich kämpft mit Nachfrageeinbruch
Während sich das Gesamtbild der Eurozone aufhellt, verstärken sich die Sorgen um Frankreich. Die französische Industrie meldete im Juli den schärfsten Rückgang bei Neuaufträgen seit Januar. Mit einem PMI von lediglich 48,2 gehört Frankreich zusammen mit Österreich zu den Schlusslichtern der Region. Besonders die internationale Nachfrage brach dramatisch ein – ein direkter Vorbote der befürchteten Handelsschlachten.
Italien zeigt hingegen Stabilisierungstendenzen. Nach 16 aufeinanderfolgenden Monaten der Kontraktion verlangsamte sich der Rückgang erheblich. Der italienische PMI sprang von 48,4 auf 49,8 – der beste Wert seit März 2024.
Inflation bleibt Dauerbrennpunkt
Parallel zu den gemischten Produktionsdaten hält sich die Inflation hartnäckig am EZB-Zielwert. Mit exakt 2,0 Prozent im Juli erfüllte die Eurozone zwar das offizielle Inflationsziel, übertraf aber dennoch die Prognosen von 1,9 Prozent. Die Kerninflation verharrte bei 2,3 Prozent und signalisiert anhaltenden Preisdruck.
Diese Entwicklung stellt die Europäische Zentralbank vor ein Dilemma. Nach acht Zinssenkungen seit Juni 2024 pausierte die EZB vergangene Woche bei 2,0 Prozent. Die Märkte sehen eine weitere Zinssenkung in diesem Jahr als unwahrscheinlich an – teilweise wegen der Unsicherheit über die Zollauswirkungen auf die Importpreise.
Großbritannien am Wendepunkt
Auch jenseits des Kanals kämpft die Industrie mit den Folgen der US-Handelspolitik. Großbritanniens PMI verbesserte sich zwar zum vierten Mal in Folge auf 48,0 Punkte, blieb aber den zehnten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle. Die Kombination aus Trump-Zöllen, höheren Sozialabgaben und Mindestlohnerhöhungen setzt den britischen Herstellern massiv zu.
Ausblick: Unsicherheit als neue Konstante
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die vorsichtigen Stabilisierungssignale in der europäischen Industrie Bestand haben oder den protektionistischen Schockwellen zum Opfer fallen. Besonders kritisch wird die Entwicklung der Unternehmensinvestitionen, die laut Bank of Japan typischerweise mit Verzögerung auf Handelsschocks reagieren.
Die Märkte haben die Zollankündigungen diesmal gelassener aufgenommen als bei der ersten Welle im April. Doch die strukturellen Herausforderungen für die exportorientierte europäische Wirtschaft sind damit keineswegs gelöst. Im Gegenteil: Mit Chinas Verhandlungsdeadline am 12. August steht die nächste handelspolitische Eskalationsstufe bereits vor der Tür.