Der globale Elektroauto-Markt zeigt sich robust: Im Oktober kletterten die Verkaufszahlen von Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen weltweit um beachtliche 23 Prozent auf 1,9 Millionen Einheiten. Doch hinter dieser positiven Gesamtbilanz verbergen sich dramatische regionale Unterschiede, die grundlegende Verschiebungen in der automobilen Weltordnung offenbaren.
Europa überrascht mit Wachstumsschub
Entgegen mancher Unkenrufe erlebt Europa einen regelrechten E-Auto-Boom. Die Verkäufe sprangen im Oktober um satte 36 Prozent auf 372.786 Einheiten – angetrieben vor allem durch starke Nachfrage in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. „In Europa bleibt die Wachstumsrate über das Jahr hinweg relativ hoch, und wir erwarten starke Verkäufe gegen Jahresende“, erläutert Charles Lester, Datenmanager bei der Marktforschungsfirma Rho Motion.
Diese Dynamik steht in scharfem Kontrast zur Lage in Nordamerika. Dort brachen die E-Auto-Verkäufe im Oktober um dramatische 41 Prozent ein – und das nach Rekordmonaten im August und September. Der Grund: Eine wichtige Steuergutschrift über 7.500 Dollar ist ausgelaufen, was die Nachfrage schlagartig abkühlen ließ. Das fundamentale Problem bleibt bestehen: Batterie-elektrische Fahrzeuge sind in den USA deutlich teurer als vergleichbare Verbrenner, was bei großen Herstellern zu massiven Verkaufsrückgängen führte.
China dominiert unangefochten
Das Reich der Mitte festigt seine Stellung als unangefochtener Weltmarktführer. Mit rund 1,3 Millionen verkauften Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen im Oktober vereint China mehr als die Hälfte des globalen Absatzes auf sich. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil: „Die Preisparität zwischen Elektro- und Verbrennungsfahrzeugen ist in China viel näher beieinander als auf den europäischen oder nordamerikanischen Märkten“, erklärt Lester.
Und das Wachstum dürfte sich fortsetzen. Für November und Dezember prognostizieren Experten einen zusätzlichen Schub, da die chinesische Regierung die vollständige Kaufsteuerbefreiung für sogenannte New Energy Vehicles (NEVs) ab 2026 auf nur noch 50 Prozent reduziert. Diese Ankündigung löst einen Vorzieheffekt aus – Käufer wollen noch die vollen Vergünstigungen mitnehmen.
Globale Verschiebungen im Automarkt
Die regionalen Unterschiede spiegeln fundamentale strukturelle Differenzen wider. Während China durch staatliche Förderung und eine hochentwickelte Ladeinfrastruktur einen nahezu perfekten E-Auto-Markt geschaffen hat, kämpfen andere Regionen mit Hindernissen.
Auch außerhalb der drei großen Märkte zeigt sich Dynamik: In den übrigen Weltregionen sprangen die Verkäufe um 37 Prozent auf 141.368 Fahrzeuge. Diese Märkte könnten künftig eine wachsende Rolle spielen, während etablierte Automobilnationen um ihre Position ringen.
Die Herausforderungen für traditionelle Hersteller sind immens. Besonders in Nordamerika fehlt es an bezahlbaren E-Modellen. Die hohen Preisaufschläge gegenüber Verbrennern machen es schwer, Massenkunden zu gewinnen – selbst mit staatlichen Subventionen. Der Wegfall der Steuergutschrift hat diese Problematik nun schmerzhaft offengelegt.
Ausblick auf turbulente Zeiten
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die europäische E-Mobilität ihren Schwung beibehalten kann. Experten rechnen mit einem starken Jahresendspurt, getrieben durch Modelleinführungen und verbesserte Verfügbarkeit. In China dürfte der Vorzieheffekt vor der Steueränderung für Rekordzahlen sorgen.
Nordamerika hingegen steht vor einer Zerreißprobe. Ohne attraktive Förderung und angesichts persistierender Preisunterschiede könnte die E-Mobilität dort ins Stocken geraten – ausgerechnet in einem Markt, der für globale Hersteller von zentraler Bedeutung ist. Die Frage ist nicht mehr, ob Elektromobilität kommt, sondern wer das Rennen gewinnt.
