Der US-Luftfahrtriese Boeing steckt in einem komplexen Spannungsfeld: Während die Aufsichtsbehörden die Produktion weiter streng kontrollieren, versucht das Unternehmen mit neuen Modellen und strategischen Entscheidungen den Weg aus der Krise. Doch kann Boeing unter diesen Bedingungen seine ehrgeizigen Pläne umsetzen?
FAA behält Boeing an der kurzen Leine
Die US-Luftfahrtbehörde FAA zeigt keine Eile, die seit Januar 2024 geltende Produktionsbremse für Boeings 737 MAX zu lockern. Die Obergrenze von 38 Flugzeugen pro Monat bleibt bestehen – ein direkter Nachhall der Zwischenfälle mit dem Modell. Zudem behält sich die FAA weiterhin vor, jedes einzelne 737 MAX- und 787 Dreamliner-Flugzeug persönlich abzunehmen, statt diese Aufgabe wie früher an Boeing zu delegieren. Immerhin: Bei weniger kritischen Prüfaufgaben gewährt die Behörde dem Konzern wieder etwas mehr Spielraum, was als vorsichtiges Vertrauenssignal gewertet werden kann.
Doch Boeings Pläne, die Produktion zunächst auf 42 und dann schrittweise weiter zu erhöhen, hängen am seidenen Faden der FAA-Genehmigung. Im Mai 2025 erreichte das Unternehmen zwar die maximale erlaubte Auslieferungszahl – doch der Weg zu höheren Stückzahlen bleibt steinig.
Zukunftsprojekte unter Druck
In einer strategischen Entscheidung hat Boeing-Chef Kelly Ortberg eine Produktionslinie im Werk Everett für das neue Flaggschiff-Modell 737 MAX 10 reserviert. Doch das Vorzeigeprojekt steht vor einem großen Problem: Die Zertifizierung durch die FAA steht noch aus. Bis Jahresende will Boeing nicht nur die MAX 10, sondern auch die kleinere MAX 7 und das Großraummodell 777X durch die Behörde bringen. Letzteres soll nach jahrelangen Verzögerungen 2026 erstmals an Kunden wie Emirates ausgeliefert werden.
China-Geschäft als Achillesferse
Während Boeing um die heimische Zulassung kämpft, droht auf dem wichtigen chinesischen Markt ein weiterer Rückschlag: Berichten zufolge plant China eine Mega-Bestellung über 200 bis 500 Flugzeuge bei Airbus. Seit 2017 wartet Boeing vergeblich auf einen Großauftrag aus dem Reich der Mitte – Handelskonflikte und Sicherheitsbedenken lasten schwer. Zwar wurde im Mai 2025 ein Lieferstopp für Boeing-Flugzeuge aufgehoben, doch die Signale aus Peking bleiben verhalten.
Die Märkte reagieren gespalten: Während die Aktie seit Jahresbeginn über 20% zulegte, deuten große Optionsgeschäfte auf wachsende Skepsis hin – zwei Drittel der Investoren setzen auf fallende Kurse. Mit knapp 161 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung und soliden Cash-Reserven hat Boeing zwar finanziell Luft nach oben. Doch negative Gewinnmargen und anstehende Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften könnten die Erholung bremsen.
In dieser Zwickmühle zwischen regulatorischen Hürden, Marktchancen und internen Herausforderungen muss Boeing beweisen, dass es mehr ist als ein Krisenkonzern. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Luftfahrtpionier die Wende schafft – oder weiter in Turbulenzen bleibt.