Alphabet gerät in Europa weiter ins Visier der Wettbewerbshüter. Nur wenige Wochen nach der letzten Untersuchung eröffnet die EU-Kommission ein weiteres Kartellverfahren – diesmal rund um die Nutzung von Online-Inhalten für Künstliche Intelligenz. Gleichzeitig überzeugt der Konzern operativ mit Rekordzahlen und starkem Cloud- und KI-Geschäft. Wie passt dieser Mix aus regulatorischem Druck und operativer Stärke zusammen?
Neue EU-Untersuchung zu KI-Inhalten
Die EU-Kommission hat am 9. Dezember 2025 ein formelles Kartellverfahren gegen Google eingeleitet. Im Kern geht es um die Frage, ob der Konzern Inhalte von Verlagen und YouTube-Creators für das Training seiner KI-Modelle nutzt, ohne diese angemessen zu vergüten oder ihnen effektive Widerspruchsmöglichkeiten zu bieten.
Im Fokus stehen zwei Bereiche:
AI Overviews und AI Mode in der Suche
Die Kommission prüft, ob Google Inhalte von Web-Publishern verwendet, um KI-generierte Suchzusammenfassungen zu erstellen, ohne dafür angemessen zu zahlen und ohne den Verlagen eine Opt-out-Option zu geben.YouTube-Videos für KI-Training
Untersucht wird zudem, ob hochgeladene YouTube-Videos zum Training generativer KI-Modelle genutzt werden, ohne die Urheber zu entschädigen oder ihnen die Möglichkeit zu geben, diese Nutzung abzulehnen.
EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera wirft Google vor, seine dominante Stellung in der Suche zu nutzen, um Verlagen unfaire Geschäftsbedingungen aufzuerlegen. Sollte sich ein Verstoß gegen EU-Kartellrecht bestätigen, drohen Alphabet Geldbußen von bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes – ein klar spürbares Risiko, auch wenn der Ausgang des Verfahrens noch offen ist.
Positiver Analystenblick trotz Gegenwind
Trotz der verschärften Regulierung bleibt die Analystenseite nicht nur gelassen, sondern teils klar optimistisch. Die Bank Citizens hat am 10. Dezember 2025 ihr Rating „Market Outperform“ für Alphabet bestätigt und ein Kursziel von 340 US-Dollar bekräftigt. Ausgehend vom damaligen Kursniveau von rund 317 Dollar sieht der Analyst damit weiterhin Aufwärtspotenzial.
Zur Begründung verweist Citizens auf mehrere Punkte:
- Alphabet notiert nahe am 52-Wochen-Hoch von 328,83 Dollar
- Die Aktie hat in den vergangenen zwölf Monaten rund 71,9 % zugelegt
- Der Umsatz der letzten zwölf Monate liegt bei 385,5 Milliarden Dollar
- Die Finanzlage wird mit „GREAT“ bewertet
An der Börse zeigt sich diese Stärke ebenfalls: In Euro gerechnet liegt der Kurs mit rund 271 Euro nur knapp unter dem jüngsten Jahreshoch, während das Plus seit Jahresanfang bei knapp 47 % liegt. Aus Analystensicht überwiegen derzeit also die operativen und bilanziellen Stärken gegenüber den regulatorischen Risiken.
Waymo als zusätzlicher Kurstreiber?
Ein besonderes Augenmerk legt Citizens auf die Entwicklung von Waymo. Die Alphabet-Tochter für autonomes Fahren könnte ihre Technologie künftig an Autohersteller lizenzieren.
Das Szenario lautet: Fahrzeughersteller integrieren Waymo-Technologie direkt in ihre Modelle, Fahrer können sich dann optional Ride-Sharing-Netzwerken anschließen. Für Alphabet entstünde damit eine zusätzliche Erlösquelle – sowohl über Lizenzgebühren als auch über mögliche Umsatzbeteiligungen an Fahrdiensten. Noch ist dieses Potenzial eher strategischer Natur, aber es liefert eine weitere Erzählung jenseits von Werbung, Cloud und klassischer Suche.
Gemini, Werbung und Monetarisierung
Parallel sorgt Gemini, Alphabets KI-Chatbot, für Diskussionen. Medienberichte hatten nahegelegt, Google plane, ab 2026 Werbung in Gemini zu integrieren und habe dies auch Werbekunden so kommuniziert.
Dem widersprach Dan Taylor, VP Global Ads bei Google, deutlich: Es gebe „keine Anzeigen in der Gemini-App und keine aktuellen Pläne, das zu ändern“. Offizielle Ankündigungen zu einer konkreten Monetarisierungslösung fehlen damit weiterhin.
Fakt ist allerdings: Die Nutzerbasis wächst rasant. Laut Zahlen zum dritten Quartal 2025 zählt die Gemini-App über 650 Millionen monatlich aktive Nutzer. Diese Größenordnung erhöht den Druck, mittelfristig Erlösmodelle zu finden – ob über Werbung, Premium-Funktionen oder andere Formen der Integration in das bestehende Google-Ökosystem.
Rekordquartal untermauert KI-Offensive
Die Grundlage für den aktuellen Optimismus liefern starke Zahlen aus dem dritten Quartal 2025. Alphabet meldete seinen ersten Quartalsumsatz von mehr als 100 Milliarden Dollar:
- Gesamtumsatz: 102,3 Milliarden Dollar, +16 % im Jahresvergleich
- Google Cloud: 15,2 Milliarden Dollar Umsatz, +34 % gegenüber dem Vorjahr
- Operative Marge: 30,5 %
- Nettogewinn: +33 %, Gewinn je Aktie (EPS) 2,87 Dollar
Besonders die Cloud-Sparte profitiert von der wachsenden Nachfrage nach KI-Infrastruktur. Alphabet reagiert mit einer deutlichen Anhebung der Investitionen: Die Prognose für die Sachinvestitionen 2025 wurde auf 91 bis 93 Milliarden Dollar erhöht – ein klares Signal, dass der Konzern seine KI- und Cloud-Kapazitäten massiv ausbaut.
Hinzu kommt, dass Alphabet inzwischen auch als Dividendenzahler auftritt. Die Aktie wurde kürzlich ex-Dividende für eine Quartalsausschüttung von 0,21 Dollar je Anteilsschein gehandelt, zahlbar am 15. Dezember 2025. Damit unterstreicht das Management den Anspruch, Investoren nicht nur über Kursgewinne, sondern auch direkt über Ausschüttungen am Erfolg zu beteiligen.
Zwischen Regulierung und Wachstum
Unterm Strich steht Alphabet in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite hohe Wachstumsraten, starkes Cloud-Geschäft, eine schnell wachsende Gemini-Nutzerbasis und neue Erlöschancen etwa über Waymo-Lizenzen. Auf der anderen Seite baut sich in Europa zusätzlicher regulatorischer Druck auf, der im Extremfall in empfindlichen Kartellstrafen oder strengeren Auflagen enden könnte. Für den Moment stützt die operative Stärke klar das positive Szenario, doch der Ausgang der EU-Verfahren bleibt ein wichtiger Faktor für die weitere Bewertung von Alphabet in den kommenden Quartalen.
