Der Technologiekonzern ABB steht derzeit im Spannungsfeld gegensätzlicher Nachrichten. Während ein namhaftes Analysehaus seine negative Einschätzung bekräftigt, kann das Unternehmen gleichzeitig einen bedeutenden Auftragserfolg verbuchen. Für Anleger stellt sich nun die Frage: Welche dieser Entwicklungen wiegt schwerer?
Analysten sehen dunkle Wolken?
Das US-Analysehaus Bernstein Research hat am 10. Juni 2025 seine Einschätzung für die Papiere von ABB bekräftigt und das Votum weiterhin auf "Underperform" belassen. Das Kursziel sehen die Experten unverändert bei 45 Franken. Ihrer Meinung nach profitieren europäische Wettbewerber wie Siemens, Dassault Systèmes und Hexagon stärker von der fortschreitenden Softwareentwicklung und der elektronischen Revolution im Fahrzeugsektor. Zwar wird positiv vermerkt, dass sowohl Siemens als auch ABB Geschäftsbereiche abspalten, die direkt vom zunehmend unattraktiven Automobilsektor abhängig sind, doch scheint dies die Skepsis der Analysten nicht gänzlich zu zerstreuen.
Brasilien-Auftrag als Hoffnungsschimmer!
Fast zeitgleich zur Analystenkritik meldete ABB einen beachtlichen Erfolg: Das Unternehmen sicherte sich einen Großauftrag für die Lieferung elektrischer Ausrüstung und Automatisierungslösungen für zwei hochspezialisierte Schiffe. Auftraggeber ist das auf Schiffbau fokussierte Unternehmen Seatrium aus Singapur. Die sogenannten schwimmenden Produktions-, Lager- und Verladeeinheiten (FPSOs), P-84 und P-85, sollen vor der brasilianischen Küste in den Offshore-Ölfeldern Atapu und Sépia zum Einsatz kommen. Diese Felder liegen rund 200 Kilometer von der Küste entfernt.
Konkrete finanzielle Details zum Auftragsvolumen wurden zwar nicht genannt, doch die Dimension des Projekts ist beachtlich. Jede der Einheiten soll nach Fertigstellung in der Lage sein, täglich bis zu 225.000 Barrel Öl zu verarbeiten. Die Lieferung der Systeme durch ABB ist bis zum Jahr 2027 geplant. Zum Lieferumfang gehören elektrische Systeme für Aufbauten und Rumpf, Automatisierung für Umspannwerke sowie vorgefertigte elektrische Schalträume. Besonders hervorzuheben ist, dass bei diesem Petrobras-Projekt erstmals ein vollelektrisches Konzept zum Einsatz kommt, das elektrische Antriebe und Kompressoren für eine effizientere Stromerzeugung mit bis zu 165 Megawatt Leistung nutzt. Eine weitere technische Premiere ist die erstmalige Offshore-Nutzung einer speziellen Konfiguration von Strombegrenzern, die bei Kurzschlüssen Schäden an der Ausrüstung verhindern sollen. Gefertigt werden die Schaltanlagen im brasilianischen ABB-Werk in Sorocaba.
Der brasilianische Markt für solche Spezialschiffe gilt als enorm wachstumsstark. In den kommenden Jahren werden dort Investitionen von bis zu 21 Milliarden US-Dollar erwartet. Trotz der skeptischen Analystenstimme konnte die ABB-Aktie im SIX-Handel zeitweise um 0,49 Prozent auf 47,50 Franken zulegen. Es bleibt spannend zu beobachten, ob die operativen Erfolge die Bedenken der Marktbeobachter nachhaltig entkräften können.